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Crossfire 2: Feuerprobe

Crossfire 2: Feuerprobe

Titel: Crossfire 2: Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Chopin, einem
komplizierten Fragment in Moll. Die Grube antwortete mit der
einzelnen lang gezogenen Note. Ein weiteres Liedchen von Jerzell, und
die Grube sang zu ihm zurück. Grieg – und die Antwort war
der einzelne Laut. Der, wie Karim jetzt erkannte, nein bedeutete. Die Grube wollte Jerzell. Er pfiff für eine
außerirdische Lebensform mit schlechtem Musikgeschmack.
    »Was bist du?«, flüsterte er.
    Keine Antwort.
    In der nächsten halben Stunde pfiff Karim, bis er nicht
länger die Lippen spitzen konnte. Er versuchte, planvoll
vorzugehen, aber zu viele Gefühle durchfluteten ihn:
Erleichterung, Aufregung, verzweifelte Hoffnung. Es gab etwas auf
diesem Planeten, was auf ihn reagierte!
    Er fand heraus, dass die Masse sanft wogte, wenn er fröhliche
Tanzmusik pfiff. Wenn er still mit gefalteten Armen dasaß, gab
sie einen tiefen, leisen Laut von sich, bis er wieder anfing, zu
pfeifen. Wenn er etwas Schwieriges oder Feines pfiff, antwortete die
Grube mit ihrem hohen, lang gezogenen Nein.
    »Ja, du hörst mich«, sagte Karim am Ende des
vermutlich merkwürdigsten Stegreif-Konzerts des Universums.
»Zumindest hörst du mich.«
     
    Er brachte Lucy und das Übersetzer-Ei zur Grube. Lucy war
inzwischen noch teilnahmsloser geworden, und es war schon schwierig
gewesen, sie überhaupt dazu zu bringen, mitzukommen. Als sie die
Grube sah, starrte sie eine ganze Minute schweigend vor sich hin und
meinte dann: »Es sind nur Bakterien. Wie auf dem Schiff.
Und?«
    »Das weiß ich noch nicht.« Verärgert nahm er
ihr den Übersetzer ab, stellte ihn an den Rand der Grube und
sprach eine gute Stunde lang hinein.
    Die Grube antwortete nur hartnäckig mit dem leisen
Geräusch, mit dem sie ihn zum Pfeifen aufforderte.
    Erschrocken bemerkte Karim, wie wütend er war. Dieser Ort
brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er zwang sich dazu weiterzureden,
und legte den Übersetzer neben eine hochaufragende Ranke, deren
Wedel in die Biomasse darunter hingen.
    Weder die Grube noch die Ranke antworteten ihm.
    »Verflucht seien die Ungläubigen und die Huren!«,
schrie Karim. Der Zorn übermannte ihn. Er packte den
Übersetzer und schleuderte ihn in die Grube, wo er lautlos
versank.
    Karim und Lucy schauten einander erstarrt an.
    Aber nichts geschah. Und das, so dachte er verzweifelt, war
der Leitspruch dieses Planeten. Leitspruch, Motto, Grundprinzip,
Grabinschrift: Nichts geschah!
    »Schau«, flüsterte Lucy. »Oh, Karim…
schau!«
    Er drehte sich um und folgte ihrem ausgestreckten Finger. Einige
Meter am Rand der Grube entlang, ganz dicht an der Kante, wuchs
etwas. Erst war es ein Klumpen, dann nahm es allmählich –
ganz langsam, wie alles andere hier! – Form an. Es war eine
kleine Ranke, weniger als zwei Meter hoch. Und dann war es eine Ranke
mit zwei langen Wedeln und einer Art Knolle an der Spitze. Der Stamm
teilte sich. Es war, als würde man sich die Zeitrafferaufnahme
einer wachsenden und erblühenden Pflanze anschauen.
    Eine Stunde später – so schätzte er zumindest, denn
er hatte vergessen, auf den Chronometer zu schauen – nahm die
Ranke eine erkennbare Form an. Aus lebenden Molekülen formte
sich ein grobes, aber unverkennbares Abbild, aus dem Schlamm der
Grube emporgewachsen.
    Karim blickte auf eine pflanzenhafte Kreatur, die nach seinem
Bilde geformt war.
    Während er sie anstarrte, fing das Geschöpf an zu
pfeifen: Cazzie Jerzells einprägsame Tanzmelodie »Under the
April Moon«.
    Karim und Lucy gingen um die Grube herum und verharrten ein kurzes
Stück von der Kreatur entfernt. Aus der Nähe wirkte das
Ding noch gröber. Seine »Lippen« waren ein klaffendes,
kreisrundes Loch aus fleischigem Purpur. Sie bewegten sich nicht,
während die Pfeiftöne hervorströmten. Aber
irgendetwas, so dachte Karim benommen, musste sich im Inneren
bewegen.
    »Pfeiftöne sind leicht zu produzieren«, stellte er
sinnloserweise fest. »Selbst der Wind bringt das zu
Stande.«
    »Lebt das?«, keuchte Lucy.
    »Das weiß ich nicht. Ich meine, ja, es lebt. Es ist
eine Pflanze, ebenso wie die Ranken Pflanzen sind, aber… aber
ich glaube nicht, dass es vernunftbegabt ist, dass es ein Bewusstsein
hat.«
    »Nein«, stimmte Lucy zu. Sie blickte vom pfeifenden,
baumhaften Karim zu der Grube und dann zur nächststehenden
Ranke, dann wieder zur Grube. »Karim…«
    »Was?« So lebendig hatte er sie schon seit Wochen nicht
mehr erlebt.
    »Ich glaube, wir haben uns geirrt. Hier, auf dem Schiff der
Ranken und sogar auf Greentrees.«
    »Wie meinst du

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