Crossfire 2: Feuerprobe
erbärmliche Hausfrau,
Alex.«
»Sie ist keine Hausfrau, sie ist Führerin eines
Stadtstaates!«
Alex mischte sich in den Streit ein. »Duncan, hatten Sie auf
der Erde jemals eine Stellung unter dem Befehl Ihres Bruders inne?
Abgesehen vom Schauspielern, meine ich?«
»Natürlich nicht«, antwortete Duncan. »Mein
Bruder ist viel zu schlau, um mir Verantwortung zu übertragen.
Die meisten Künstler kommen ja kaum mit sich selbst zurecht. Ich
sehe schon, ich darf hier nicht auf einen heißen Tee
hoffen… Ah, da heulen ja auch schon die Sirenen!«
Alex hatte nicht erwartet, dass sie so laut waren. Das
Geräusch schnitt durch die Luft, und einen Augenblick lang
spürte sie wieder die Schrecken ihres Albtraums. Sie
drängte sie zurück und rief: »Jake, Duncan – ihr
wisst, was zu tun ist! Bis später!«
»›Es gebe keiner diesem Manne die Schuld‹«,
erwiderte Duncan, was überhaupt keinen Sinn ergab. Aber Alex
hatte keine Zeit, um nachzufragen. Sie lief hinaus und zum
Fahrzeugzelt.
Alle vier Geländewagen waren verschwunden.
Sie brauchte eine Weile, um sich neu zu besinnen. Julian hatte
Räumungspläne erarbeitet, Ausweichpläne und
Notfallpläne, falls die Ausweichpläne scheiterten. Er hatte
Tag und Nacht gearbeitet – buchstäblich, da er alle
vierundzwanzig Stunden nur eine einzige Stunde schlief –, um die
Pläne zu entwerfen und sie über MiraNet zu verbreiten. Dann
hatte er Freiwillige von Tür zu Tür geschickt, die
sicherstellen sollten, dass jeder genau wusste, was er zu tun hatte
und wohin er sich wenden musste.
Julian hatte berücksichtigt, dass die älteren arabischen
Frauen die Medina nicht ohne verwandte Männer verlassen
würden. Er hatte an die Wissenschaftler und Ingenieure gedacht,
die möglicherweise nicht in der Stadt waren, an die Alten und
die Kleinkinder und die Kranken und die Widerstrebenden. Er hatte
versucht, an alles zu denken. Die Geländewagen waren fort, weil
sie im schlimmsten Falle alle unterwegs sein konnten.
»Ich habe meine Zugnummer vergessen!«, rief ein junges
Mädchen und lief auf Alex zu. Das Mädchen zitterte in
seinem dünnen Nachthemd. Die Augen waren groß vor Furcht.
Oder vielleicht vor Aufregung. »Ist das ein echter
Angriff?«
»Verhalte dich einfach so, als wäre es das! Wo sind
deine Eltern?«
»Ich habe bei meiner Freundin Aleya geschlafen. Als die
Sirene ertönte, lief ich nach Hause, aber meine Familie war
schon weg und…«
»Kinder sollen bei der Familie bleiben, bei der sie sich
gerade befinden, wenn der Alarm ertönt! Und wo ist dein
Notfallgepäck?«
»Das habe ich vergessen. Oh, Miss Cutler, ist das ein echter
Angriff?« Diesmal war kein Zweifel möglich: Das Kind genoss
die Aufregung.
»Geh wieder zur Familie deiner Freundin«, schnauzte
Alex, »und bleib bei ihr – sofort!«
»Und wenn sie schon weg sind?«
»Ach, du… Komm mit mir!« Das lief nicht so wie
geplant.
»Ich werde… Schauen Sie! Da ist Aleyas Vater!« Sie
rannte davon.
Alex war froh, sie los zu sein, und lief auf die Bahnschienen zu.
15.000 Leute aus der Stadt zu schaffen und so weit wie möglich
fortzubringen, in möglichst kleinen Gruppen, hatte einige
bauliche Maßnahmen und viel Einfallsreichtum erfordert. Man
hatte Gleise gelegt, die in fünf verschiedene Richtungen
verliefen. Einfache Schienenwagen transportierten die Menschen zu den
Endstationen, von wo aus jede Gruppe den eigenen Zielort ansteuern
musste, je nachdem, wie rasch und wie weit sie reisen konnten. Einige
würden sich in den zahlreichen Höhlen nördlich der
Stadt verbergen, jenseits des Flusses. Andere wanderten in entfernte
Täler. Einige besonders leistungsfähige Gruppen hatten
überhaupt keinen Zielort: Nach einem wirklichen Angriff
würden sie quer über den Kontinent ziehen, falls das
notwendig wurde. Boote auf dem Fluss dienten dem gleichen Zweck wie
die Züge.
»Es werden nicht alle entkommen«, hatte Julian Martin
düster erklärt. »Und einige, die entkommen, wird es
später erwischen. Aber das gibt uns zumindest die Chance, die
Menschheit auf Greentrees zu bewahren. Und
zurückzuschlagen.«
Alex erwischte den nächsten Zug und stieg vorn beim Fahrer
ein. Sie war Priorität Rot und durfte jedes Transportmittel
nutzen, das sie benötigte. Sie war ein potenzieller
Kämpfer, kein potenzieller Flüchtling. In diesem
Augenblick, unter Adrenalin, war sie glücklich.
Der Zug war voller Menschen, von denen ein Großteil das
Notfallgepäck dabeihatten. Dicht gedrängt und ruhig
saßen sie in der
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