Crossfire 2: Feuerprobe
haben Wus Körper als Schild benutzt, und diese Deckung hat
uns gerade lang genug geschützt, dass wir eine weitere Soldatin
zu Fall bringen konnten. Ich rang mit ihr um ihre Waffe und bekam sie
zu fassen, und dann habe ich sie getötet.
Der letzte Terraner hätte uns beide bestimmt erschossen, wenn
nicht ein weiterer Chinese aus einem anderen Haus beim Fluss
gestürzt wäre, und der hatte ebenfalls eine Waffe; sie
erschossen sich gegenseitig. Dann sind Wong und ich
weggerannt.«
Jake hatte schweigend zugehört und sagte auch jetzt
nichts.
»Ich weiß nicht, was mit den ganzen Leichen geschehen
ist. Ich vermute, Commander Martin hat sie beiseite geschafft. Hope
of Heaven wurde von diesem Mob aus Mira City überfallen, wegen
der beiden Jugendlichen, die Martin mit Speeren hat umbringen lassen.
Es war also leicht, den Tod der Chinesen zu vertuschen. Nicht, dass
es jemanden in Mira gekümmert hätte.«
»Und das ist noch nicht alles, Mr Holman«, warf Star Chu
ein. »Wir haben auch noch andere Quellen, eine andere Verwandte
von mir. Wir Chinesen haben ebenso verzweigte Familienverbindungen
wie die Cutlers, müssen Sie wissen.«
»Ich weiß«, sagte Jake. Er kämpfte gegen
seine Müdigkeit an.
»Diese Verwandte kam schon vor Wochen zu mir, um mir etwas zu
erzählen. Damals glaubte ich ihr nicht. Sie ist schon alt«,
erklärte Star. Jake entnahm ihrem Tonfall, dass sie die Alte
für schrullig und deshalb nicht für sehr glaubwürdig
gehalten hatte. »Und manchmal ist sie regelrecht… Nun, ich
glaube ihr jetzt. Sie hat mir berichtet…« Das Mädchen
ballte die Hände zu Fäusten.
»Sprich weiter«, forderte Jake sie auf.
»Sie hat mir berichtet, dass sie während der
Evakuierungsübung Mira City nicht verlassen hat. Die meisten
Chinesen hatten die Stadt verlassen, falls Sie es nicht wissen
sollten, Mr Holman.
Wir haben getan, was man uns gesagt hat. Aber meine alte
Schwägerin hat sich in ihrem Wei versteckt – das ist
eine Art kleine Kammer, die wir in unsere Formschaumhäuser
gießen lassen. Sie ist oft mit getarnten Schlitzen oder
Einwegspiegeln versehen, damit man von drinnen sehen kann, was im
Haus und draußen vor sich geht. Sie hatte sich jedenfalls
während der Evakuierungsübung in dieser Kammer versteckt,
und sie wohnte direkt neben dem Haus von Governeur Lau-Wah Mah. Als
die Stadt verlassen war, beobachtete sie, wie ein Mann von der Erde
Mahs Körper heraustrug, in eine Decke oder einen Teppich
gerollt. Lau-Wah Mah war sehr groß gewachsen für einen
Chinesen, und Martin konnte wohl nicht mehr als einen Mann für
diese Aufgabe abstellen, nehme ich an. Jedenfalls öffnete sich
die Decke, und sie konnte sehen, dass man ihm einen Arm abgetrennt
hatte, und… die Stelle zwischen seinen Beinen war
blutig.«
Nicht ohne Genugtuung sagte Kang: »Man hat den Verräter
gefoltert!«
»Er war ein guter Mann«, schluchzte Star. Dann schlug
sie Kang auf den Mund. Er sprang auf, aber sie stieß ihn
zurück auf die Pritsche. Da er an Händen und
Füßen gefesselt war, konnte er nichts weiter tun, als ein
höhnisches Lächeln auszustoßen.
»Damals habe ich meiner Schwägerin nicht geglaubt«,
erklärte Star. »Ich nahm an, sie hätte die Geschichte
erfunden, nachdem sie von Mahs Verschwinden gehört hatte, um
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber nach dem, was ich von diesem
Stück Dreck hier erfahren habe… Mr Holman, die meisten
Chinesen in Mira City haben mit den Abtrünnigen nichts zu
schaffen. Wir wissen genau, dass wir von den Angloamerikanern und den
Arabern nicht als ebenbürtig angesehen werden, aber wir
führen unsere eigenen Leben und unsere eigenen Geschäfte,
und wir hoffen, dass wir in den kommenden Generationen die Dinge
ändern können. Wir haben nichts übrig für
Gewalt.
Aber seitdem Mah entführt wurde und man seinen Leichnam
absichtlich so zurückließ, dass der Verdacht auf Hope of
Heaven fiel, und seitdem die Abtrünnigen versuchten, Mira City
niederzubrennen, und seitdem Mary Pesci und Shanab Mesbah
getötet wurden…
Ich glaube nicht, dass jemand wie Sie verstehen kann, was es
bedeutet, in Mira City als Chinese zu leben. Die Menschen meiden uns
inzwischen. Sie tuscheln über uns. Unsere Kinder werden in der
Schule verspottet und manchmal sogar geschlagen. Die Araber und die
Angloamerikaner – mit Ausnahme der Quäker – kaufen
nicht mehr in unseren Geschäften. Die Chu Corporation hat einen
Umsatzrückgang von fünfzig Prozent. Und wir Chinesen haben
Angst vor dem, was noch folgen
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