Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cruel World

Cruel World

Titel: Cruel World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neslihan Dadas
Vom Netzwerk:
erschöpft wurde, wusste ich manchmal gar nicht mehr, wo ich bin - genau so war es auch in diesem Moment.
Verwirrt schaute ich mich um. Ein paar Meter vor mir stand eine gebogene Laterne, in der unglaublicherweise ein kleines Licht schimmerte. Ohne nachzudenken ging ich zu ihr und blickte nach oben. Das, was ich nun sah überraschte mich über alle Maßen. Die Laterne leuchtete tatsächlich noch! Wie war das möglich? Ich dachte, es gäbe keinen Strom mehr! Hatte Aaran nicht einmal behauptet, er hätte seine eigenen Leute beauftragt, den gesamten Strom zum Regierungsgebäude zu leiten? Wie es aussah hatten sie einen kleinen Fehler gemacht. Was würde Aaran wohl tun, wenn er davon erfuhr? Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen bei der Vorstellung, wie sie gefoltert wurden. Bei Menschen hätte es mir unendlich leid getan, aber das waren sie nun einmal nicht. Falls ich also Aaran wiederbegegnen sollte, was bestimmt bald der Fall sein wird, weil ich vorhatte meinem Clan die Wahrheit über ihn zu erzählen, dann hatte ich einen guten Grund, ihn als dumm und unaufmerksam zu bezeichnen. Er hatte mir gedroht, dass er mir zeigen würde, was er mit bösen Frauen anstellte, die ihn nicht respektieren und hintergehen. Doch das war mir egal. Das Leben von so vielen Menschen stand auf dem Spiel. Es wäre eine Ehre für mich, ihrer Sicherheit Willen bestraft, gefoltert, vergewaltigt oder getötet zu werden. Ich war zwar eigentlich die Herrscherin der Vampire, aber da ich ein Mensch bin, war ich auch für sie verantwortlich. Ich fühlte mich verpflichtet ihnen zu helfen. Vielleicht gehörte das zu meiner Bestimmung.
Nachdenklich blickte ich umher, weil ich nun vor zwei Straßen stand, die jeweils einmal nach rechts und einmal nach links führten. Ganz schwach erkannte ich hinter dem Nebel der linken Straße den Turm des Regierungsgebäudes, woraufhin für mich sofort feststand, die rechte Straße zu nehmen.
Allerdings führte die mich bereits nach einigen Minuten in eine Gegend, die ich ich lieber vermieden hätte. Als ich bemerkte, wo ich hinging, blieb ich mit geweiteten Augen auf der Stelle stehen und traute mich nicht mehr, mich zu bewegen. Mein Herz beschleunigte sein Tempo.
Nur knapp einhundert Meter vor mir lag ein großes Einfamilienhaus, das aus puren Ziegelsteinen bestand und dessen Dach ein großes Loch hatte, so, als wäre dort ein Meteorit eingeschlagen. Ich wollte mich umdrehen und weglaufen, aber aus irgendeinem Grund bewegten meine Beine sich nicht fort. Es schien, als wären sie am Boden festgeklebt. Jegliche Angst davor, dass man mich angfreifen könnte, weil ich mitten auf der Straße stand und meinen Flammenwerfer fallen ließ, da jedes Gefühl aus meinen Adern gewichen war, verschwand plötzlich. Mein Körper fühlte sich wie taub. Ich nahm nicht einmal mehr die eisige Kälte um mich herum wahr und hörte sogar auf zu zittern. Die Welt um mich herum löste sich in Luft auf. Ich sah nur noch dieses Haus, das mir überhaupt nicht, wie ich immer gedacht hatte, unheimlich vorkam. Im Gegenteil - ganz vage nahm ich wahr, wie etwas über meine Wangen floss. Obwohl ich sie nicht spürte wusste ich, dass es Tränen waren. In diesem Haus war ich schließlich aufgewachsen, hatte ein furchtbares Leben geführt und letztendlich auch dort meine Familie verloren.
Ich wollte nicht darauf zugehen, aber es ließ sich einfach nicht vermeiden. Irgendeine unsichtbare Macht zwang mich dazu. Je näher ich dem Grundstück mit der kahlen Erde darum herum kam, auf der einmal eine schöne, grüne Wiese gewesen ist, entdeckte ich auch die kaputte Schaukel im Garten, die mein kleiner Bruder Rhys so gern gehabt hatte. Ich konnte sein herzhaftes, fröhliches Lachen hören und auch, wie er meinen Namen rief und für einen Moment glaubte ich tatsächlich, ihn dort sitzen zu sehen.
Mein Schluchzen wurde immer lauter. Ich konnte mich nicht bremsen und ließ wieder meinen Gefühlen freien Lauf.
Neben der Schaukel stand noch immer das gelbe Klettergerüst, an dem man nur allzu gut den Rost erkennen konnte. Mir schossen all jene Bilder in den Kopf, die ich mit Cooper, Teresha, Aaran, Noah und Kelly, als wir noch kleine Kinder waren, dort oben gespielt haben! Unser Lieblingsbeschäftigung war das Prinz- und Prinzessinnenspiel gewesen. Einer von uns war immer der böse Zauberer, der jemanden in dem kleinen Turm auf der rechten Seite gefangen gehalten hat. Es führte abgesehen von der Brücke noch eine Treppe nach da oben, doch wir hatten sie uns

Weitere Kostenlose Bücher