Cruel World
seine gelegt hat. Aaran schaute bloß regungslos nach vorne zu dem alten Pfarrer mit den grauen Haaren und dem weißen Gewand. Um seinen Hals trug er ein goldenes Kreuz und als sich mein Vater zu meiner Mutter in die erste Reihe der fast leeren Plätze gesellt hatte, begann dieser Mann zu sprechen. Ich weinte und schaute Aaran flehend an, aber dieser beachtete mich nicht. Sein Gesicht blieb ausdruckslos und zeigte kein einziges Gefühl. Ich erkannte ihn nicht wieder. Bevor ich erfahren hatte, dass er mich will, war er immer freundlich zu mir gewesen. Was war aus diesem netten, jungen Mann geworden, der sich als ein guter Freund in unseren gemeinsamen Jahren entwickelt hatte, mit dem ich viel Spaß gehabt habe.
Abgesehen von meinen Eltern waren nur Kelly, Luzifer, Noah, Teresha und Cooper mit ihren Eltern da. Kelly sah selbst in ihrem glitzernden, bis zum Boden reichenden, hellbraunen Kleid rasend vor Wut aus, was sowohl in Noahs, als auch in Coopers Gesicht Besorgnis erweckte. Nur Teresha weinte mit mir. Sie sah genauso unglücklich aus wie ich.
Meine Brautjungfer war Aarans hübsche Cousine, Emma, die auch nicht zufrieden mit dieser Situation aussah. Ihre Aura leuchtete überraschenderweise nicht. Sie strahlte stattdessen einen schwarzen Nebel aus, der jedoch nur sie ein bisschen umhüllte und mir zum ersten mal Angst machte.
Kaum war der Pfarrer mit dem Sprechen fertig, da fragte er uns, ob wir mit dem jeweils anderen die guten und schlechten Zeiten durchstehen und immer füreinander da sein wollen, was Aaran natürlich sofort mit einem breiten Lächeln bejahte, ich aber nur weinte und es ihm erst gleichtat, als mein Blick flehend zu meinen Eltern geglitten war und sie mich hasserfüllt anschauten. Ich hatte gewusst, dass sie mich, wenn ich abgelehnte und wir wieder zuhause waren, zu Tode geschlagen hätten. Ich hatte nur aus Angst vor weiteren Schmerzen eingewilligt. Kaum wurden wir beide vermählt, starrte ich auf meinen Ring, in dem sich ein kleiner, gelber Diamant befand, der mich aufgrund der Sonne in seiner vollen Pracht anstrahlte.
Anstatt, wie eigentlich erwartet, noch einmal die Hochzeitsnacht zu sehen, schaffte ich es tatsächlich meine Augen keuchend zu öffnen und in die Realität zurückzukommen, wo ich mich nicht in der Kirche, sondern in meinem verstaubten Zuhause befand und mir jetzt augenblicklich so schwindelig wurde, dass ich nach vorne kippte und ein wenig unsanft auf dem Teppich aufkam. Mein Kopf stieß gegen irgendetwas Hartes, sodass meine Sicht verschwomm, aber ich zwang mich wachzubleiben, indem ich krampfhaft blinzelte, bis vor mir ein bleiches Gesicht auftauchte dessen Augen, genauso wie der Mund weit aufgerissen waren. Ich schaute es mir einen Moment lang nur an, ehe mir schlagartig bewusst wurde, wessen Gesicht sich vor mir befand. Laut kreischend sprang ich auf die Beine, verlor aber gleich darauf wieder das Gleichgewicht, weil ich zu schnell gewesen war und kippte dieses mal nach hinten, wo sich zu meinem Glück nichts befand, sodass mich meine Hände auf dem Boden auffangen konnten, obwohl mich danach doch ein heftiger Schmerz durchfuhr, weil der Aufprall meiner Handballen sehr fest gewesen ist.
Stöhnend setzte ich mich sofort auf und spürte, wie sich beim Anblick des abgetrennten Kopfes von meinem Vater mein Magen umzudrehen schien. Erst jetzt nahm ich den furchtbaren Gestank hier wahr, der meine Nase zum Brennen brachte. Ich konnte die alten Gliedmaßen, auf denen nun unzählige Insekten herumkrabbelten, aus seinem Hals herausragen sehen und die linke Hälfte seines Hinterkopfes bestand nur noch aus Knochen. Ich fand es bloß gut, dass das ganze Blut bereits getrocknet war und mich somit nicht angespritzt hat. Sein umgefallener Körper lag nur knapp einen Meter neben seinem Kopf, genauso wie meine Mutter, deren Gesicht ich nicht erkennen konnte, weil sie auf dem Bauch lag und ihre blonden Haare die Seiten ihres Gesichtes ebenfalls bedeckten. Ihre Klamotten hatten jeden Tag aus einer Bluse und einem knielangen Rock bestanden, was an ihr immer gut ausgesehen hatte. Jetzt jedoch erschrak mich dieser Anblick.
Schluchzend zog ich meine Beine an die Brust und legte mit schlossenen Augen mein Kinn auf meine Kiee, um mich zu beruhigen. In der heutigen Nacht würde ich auf keinen Fall mehr einschlafen können. Ein Teil von mir hatte bereits gewusst, was mich erwarten würde, wenn ich dieses Haus betrat. All jene Erinnerungen würden zurückkommen, die Aaran mir genommen hat. Jetzt
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