Cruel World
konnte ich ihm jedoch nicht sagen oder zeigen, weil dieser mich ansonsten so lange ausquetschen würde, bis ich ihm das Versteck seines Bruders verraten hatte. Womöglich würde er mich mit irgendetwas, das mir am Herzen liegt, erpressen. Das durfte ich auf keinen Fall riskieren.
Chalina, meine Eltern lieben dich. Das kannst du mir glauben. Du hast sie früher auch ziemlich gerne gehabt.
Worin besteht dann das Problem?
Er verzog das Gesicht. Weißt du... meine Eltern mögen es nicht, wenn jemand sie besuchen kommt. Sogar wenn
ich
ihnen einen Besuch abstatte, schicken sie mich gleich darauf wieder fort.
Warum wundert mich das nicht? fragte ich sarkastisch und setzte ein Lächeln auf, woraufhin er sich ein wenig nach vorne beugte und seinen Zeigefinger unter mein Kinn legte, um es noch weiter anzuheben.
Werde nicht frech, Fräulein. Außerdem musst du jetzt erst einmal duschen. Gefrühstückt hast du ja bereits. Sein Blick brannte sich in meinen, sodass ich vergaß zu atmen. Ich hatte das Gefühl, direkt in die untergehende Sonne zu schauen, ohne von ihrer Helligkeit geblendet zu werden. Diese Augen waren unglaublich kostbar und prachtvoll. Sie waren das Schönste, was ich je gesehen habe. Schöner als das Kleid, das ich das letzte mal getragen hatte, als wir gemeinsam unter dem Gebäude in einem Restaurant essen gegangen waren, schöner als die Kirche, in der wir geheiratet hatten und die ich das erste mal nach langer Zeit erst wieder mit Alex zusammen betreten habe und sogar noch schöner, als der gelbe Diamant, den ich zu meinem Geburtstag geschenkt bekam. Sie übertrafen alles.
Ich schnappte nach Luft und riss mich mit geweiteten Augen los. Wo ist mein Rucksack?
Aaran schien verwirrt zu sein, denn er blinzelte ein paar mal. Dein - was?
Mein Rucksack! Wo ist er? Panisch blickte ich mich um. Hoffentlich hatte ihn keiner geöffnet. Ich hatte keine Ahnung, wie ich erklären sollte, woher ich all meine Sachen habe. Schließlich durfte Alex nicht verraten.
Meinst du das Teil, das du auf dem Rücken trugst?
Was denn sonst!
Es liegt unter dem Bett. Wieso fragst du danach?
Mein Atem wurde flacher, als mein Blick zu dem schwarzen Stoff auf dem Boden glitt. Nur mit Not und Mühe widerstand ich dem Drang, ihn zu mir zu holen.
Na ja... er ist mir wichtig.
Befindet sich etwas Wertwolles darin?
Überrascht starrte ich ihn an. Warum klang er so ahnungslos? Wollte er mich mal wieder provozieren? Äh, nein. Natürlich nicht. Was sollte ich denn schon Wertvolles besitzen, außer meinen Stolz?
Einige Sekunden lang betrachtete er mich misstrauisch und ließ seinen Blick ständig zwischen mir und dem Rucksack hin und her gleiten. Ich hatte Angst, dass er ihn doch nehmen und öffnen könnte, was dann wohl doch nicht der Fall zu sein schien, weil er plötzlich gleichgültig mit den Schultern zuckte.
Hm. Ich sage dazu lieber nichts. Ansosnten wirst du wieder böse und beschimpfst mich, obwohl ich nur die Wahrheit gesagt habe. Er ergriff den Infusionsständer und zog ihn auf einmal hinter sich her aus dem Zimmer heraus. Da ich nicht wollte, dass mir die Nadel brutal aus der Haut gerissen werden würde, lief ich ihm hinterher.
Bringst du mich zu Emma?
Ja. Sie soll dich baden und dir etwas Hübsches zum Anziehen geben. Wenn du willst, dann besorge ich dir einen eigenen Kleiderschrank. Das würde kein Problem darstellen. Also?
Während er sprach, sah er mich nicht an. Erst da wurde mir klar, dass er wollte, das ich noch länger hierbleibe und nicht so schnell wieder vorhatte zu gehen. Dachte er wirklich, ich würde mich in meinem schwachen Zustand hinausbegeben? Man könnte mich sofort angreifen und töten! Ich konnte nur hoffen, dass sich mein Flammenwerfer ebenfalls unter dem Bett und nicht noch immer auf der Straße vor meinem Zuhause befand. Erst wenn ich wieder vollständig gesund und munter bin, würde ich gehen. Gehen von dieser Welt. Aber das brauchte er nicht zu wissen. Niemand musste es erfahren, solange ich es für mich behielt.
Das ist nicht nötig, Aaran. Mir reicht dieses Nachtkleid vollkommen aus. Ich habe nicht vor, irgendwohin zu gehen. Noch nicht. Du brauchst dir also in den nächsten kommenden Wochen keine Sorgen zu machen. Ich bin krank und ich bin, so ungern ich das auch zugebe, auf Hilfe und Schutz angewiesen. Das heißt nicht, dass ich dich dafür ausnutze, um in Sicherheit zu sein, bis ich mich wieder selbst wehren kann, sondern weil ich... na ja, ich finde einfach, dass es besser wäre dir zu helfen, deinen Charakter
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