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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Feuerlöscher suchen, um die aus dem Motorraum schlagenden Flammen zu ersticken. Das jämmerliche Gejaule hielt Vroni nicht davon ab, das Gaspedal bis zum Anschlag durchzutreten. Halbherzig protestierte er:
                „Das klingt nicht gut. Der Motor kollabiert gleich!“
                Vroni wischte seinen Einwand zur Seite:
                „Ach was! Ein Diesel ist zäh, der muss das aushalten.“
                Simon rang sich ein schiefes Lächeln ab:
                „Soll ich dir nächstes Jahr einen Startplatz bei Paris-Dakar reservieren?“
                Vor der ehemaligen Grenzkontrolle bogen Sie nach rechts ab. Die Pneus rollten geräuschvoll über die aufgerauten Rillen im Beton. Vor ihnen lag ein verlassener, den alten Zollzeiten nachtrauernder Gebäudekomplex. Die Waschbetonwände der griesgrämig drein blickenden Wachhäuschen waren mit Graffitis beschmiert, die sich wie Krakenarme um Ecken und Kanten ringelten. Fast unmerklich war das Königsblau des Himmels einer samtenen Schwärze gewichen. Etwas Zauberisches lag in der Luft, ein Hauch von amourösem Abenteuer. Schließlich würde dies die Nacht des Don Juan werden.
     
    Der Tisch war für den letzten Akt des Melodramas gedeckt. Simon lauschte den leichthin am Abgrund entlang tänzelnden Klängen. Don Giovanni brüstete sich seiner hedonistischen Lust am lukullischen wie libidinösen Amüsement:
                „Giacchè spendo i miei danari, lo mi voglio divertir!”
                Mit herablassender Geste winkte er seinen Domestiken heran:
                „Nel veder i miei bocconi, gli par proprio di svenir! Piatto!“
                Leporello beeilte sich seinem Herrn aufzuwarten:
                „Servo! Evvivano i litiganti.“
                Simon liebte die feingliedrige, subtile Musik, liebte die kleinen, in das große Schauspiel um Recht und Rache eingebetteten komischen Szenen: der großspurige, selbstherrliche Don und sein hinterfotziger, schlitzohriger Diener waren ein Dream Team. Das Duo Infernale ging gemeinsam durch Dick und Dünn, durch Dur und Moll. Lebemann und Schelm waren wie geschaffen füreinander. In den Arterien ihrer Arien floss wahres Herzblut. Mozart ließ keine blutleeren Wachsfiguren über die Bühne stolzieren, ließ keine artifiziellen Kunstgeschöpfe im Rampenlicht stehen, um sich völlig unmotiviert in ein Liebesabenteuer oder ins Schwert zu stürzen. Das hier war großes Drama, große Oper! Das Henkersmahl schien dem Don zu munden. Da rauschte seine betrogene Herzensdame mit wehender Lockenpracht in den Saal und beschuldigte den Don der seelischen Grausamkeit:
                „Cor perfido!“
                Giovanni war Kavalier genug, um der hemmungslos schluchzenden Dame die schuldige Reverenz zu erweisen:
                „E se il piace, mangia con me!“
                Don Elvira rang verzweifelt ihre Hände, warf ihre wilde Löwenmähne schwungvoll nach hinten. Don Giovanni ließ sich jedoch weder stören noch betören. Mit gargantueskem Appetit rückte er dem Hühnchen auf den goldgelb gebratenen Leib und schenkte sich Wein nach. Er gab hier den Ton an und kein dahergelaufenes Frauenzimmer. Simon schielte unauffällig zu seiner Begleiterin hinüber: Vronis klassisch, strenges Profil schälte sich neben ihm aus dem Halbdunkel. In regelmäßigen Abständen strich Sie ein paar widerspenstige Strähnchen aus ihrer kühn geschwungenen Denkerstirn. Das Frauenhaar besaß magische, verführerische Kräfte – auch wenn manchmal wie bei Samson und Delilah die Rollen vertauscht schienen. Wenn die Sirenen sangen und die Loreley ihre Locken kämmte, war Mann rettungslos verloren. Was wäre die Oper, das Theater, das Leben ohne die Schönheit, die Anmut und die Verführungskünste der Frau? Öde und leer wie eine Wüste ohne Fata Morgana! Unversehens überstürzten sich die Ereignisse auf der Bühne. Don Elvira stürmte wutentbrannt davon und Leporello fiel vor Schreck fast in Ohnmacht, als unerwartet ein später Gast vor der Tür stand:
                "A cenar teco m’invitasti e son venuto!”
    Das großspurige Auftreten des „Steinernen“ verhieß nichts Gutes. Er tat so als ob er von Gott gesandt sei, um Don Giovanni zur Umkehr zu bewegen und ihm die rettende Hand zu reichen. Doch bei dem alten Haudegen und Herzensbrecher biss der Marmormann auf Granit! Ein

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