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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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ein Hinweis auf diese tellurischen Energiestrahlen. Es ist evident, dass der häretisch, hermetische Hokuspokus nichts weiter als ein ideologisches Deckmäntelchen für die skrupellose Machtpolitik mancher Parteigranden war. Der Clique um Bormann war nichts heilig, nicht einmal der Gral oder der Führer!“
                Vinzenz rümpfte seine rot geäderte Säufernase:
                „So! Glaubst du etwa an das Märchen vom bösen Onkel Wolf? Mein Lieber, die Welt ist kein Schachbrett aus schwarzen und weißen Feldern. Nimm die alten Epen wie die Edda oder die griechischen Sagen. Ist dir schon mal aufgefallen, dass darin die Mächte der Unterwelt, die Regenten im Reich der Schatten eine entscheidende Rolle spielen? In nuce schlummert in diesen Stoffen ein spiritueller Kern! Diese Geschichten spiegeln die Sehnsucht des Menschen nach einer Art Metamorphose, die es ihm erlaubt die Endlichkeit seines Seins zu überwinden. Der Held, egal ob er nun Orpheus, Odysseus oder Herkules heißt, muss die zu eng gewordene Haut der irdischen Existenz abstreifen. Er muss die Urangst überwinden und den Ausgeburten der Hölle entgegen treten, sprich er muss die dunkle Seite seines Selbst erfahren, um über den Tod zu triumphieren. Das und nichts anderes lehren die Mysterien über das Wunder der Wiedergeburt!“
                Die von Vinzenz vorgebrachten Argumente schienen seinen Widerpart, der mit seiner komischen Kostümierung irgendwie aussah, als ob er in seinem früheren Leben zu den Musketieren des Königs gehört hatte, nicht recht zu überzeugen:
                „Ich bitte dich! Mach aus einer Mücke keinen Elefanten! Leben entsteht und vergeht im Rhythmus der Jahreszeiten, selbst Sonne und Mond gehorchen den Zyklen der Zeit!“
                Der Mantelmann griff tief in die mythische Mottenkiste:
                „Das Kommen und Gehen, das Werden und Vergehen hat den Menschen zu denken gegeben, den Glauben an Gott keimen lassen, Mythen und Kosmogonien erschaffen. Die Frage nach dem Sinn des Lebens lässt uns einfach nicht los!“
                Vinzenz ließ sich auf keine theosophisch, teleologischen Rabulistereien ein. Er plusterte sich auf wie ein balzender Auerhahn:
                „Sorry mein Guter, dass ist doch bloß Blabla! Spätestens seit Einstein dürfte bekannt sein, dass die Zeit weder zyklisch noch linear verläuft, sondern in Relation zur Geschwindigkeit des Lichts steht. Und das ist der Punkt: die rund um den Untersberg auftretenden Anomalien verursachen Risse im Raumzeitkontinuum und öffnen in unregelmäßigen Abständen Fenster in die Vergangenheit oder in die Zukunft!“
                Das Wortgefecht der beiden „Bühnenhelden“ schien in seine entscheidende Phase getreten zu sein. Vinzenz zog einen zerknitterten Zeitungsausschnitt aus der Gesäßtasche und hielt es in der Hand, als ob es sich dabei um das entscheidende Beweisstück in einem Indizienprozess handelte:
                „Der Fall ist bis heute ungelöst. Das Ganze ist vor ungefähr 15 Jahren, seltsamerweise an Christi Himmelfahrt passiert!“
                Für einen Wimpernschlag schreckte Simon hoch, ehe er wieder in den Marianengräben des Unterbewussten versank. Der Text! Was mochte er wohl enthalten, welches Geheimnis würde er enthüllen? Die Kamera linste über die Schulter von Vinzenz. Der Bericht war mit einigen dürftigen, unscharfen Schwarzweißfotografien aufgemacht und in einem esoterischen Revolverblatt namens „Geomantia – Magazin für diskursive Metaphysik“ erschienen. Als Verfasser zeichnete ein gewisser Alfred Alboin Gunkel. Bereits nach wenigen Zeilen war klar, dass die mit kryptischen Fachausdrücken gespickte Reportage kein Kandidat für den Pulitzer-Preis war. Gunkel trug dick auf, ließ kein Fremdwort, keine hochgestochene Wendung aus. Sein Ehrgeiz schien sich darin zu erschöpfen, seine Leser in ein Labyrinth verschachtelter Bandwurmsätze zu locken und ihnen den großen oder kleinen Bären auf die Nase zu binden. Das humorlos, meckernde Lachen des Göring-Double schien aus einem tiefen Brunnenschacht zu kommen:
                „Dagegen waren ja Schmieranten wie Goldzier, Weininger oder Trebitsch seriöse Fachautoren!“
                Vinzenz verschränkte die Arme vor der Brust:
                „Nicht zu vergessen Hörbiger und seine Welteistheorie und die von Karl Neupert

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