Cruzifixus
Miene:
„Ein anonymer Hinweis auf Steuerhinterziehung in Millionenhöhe hat den Stein ins rollen gebracht. Nach einer Razzia in seinen Büroräumen haben die Steuerfahnder mehre Schubkarren voll von belastenden Aktenmaterial abtransportiert. Du kannst dich sicher noch an die Schlagzeilen in den Boulevardblättern erinnern: Top-Beamter in U-Haft! Amigo-Abzocker hinter Gittern! Schwarze Kassen, Drogen, wilde Porno-Partys!"
Simon winkte widerwillig ab:
„Die Geschichte hätten wir damals groß herausbringen müssen! Aufmacher zum Prozessauftakt, Live-Berichte aus dem Gerichtssaal, Extraausgabe mit Hintergrund-Feature. Aber wenn es ums Ansehen der Partei geht…“
Ein sardonisches Lächeln verwandelte Vronis Kussmündchen in einen Raubtierrachen:
„Griesgruber hat mich zu sich zitiert und mir in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, dass ich die Finger von der Sache lassen und kein Öl ins Feuer gießen solle. Ich habe noch heute seine schneidende Stimme im Ohr: Wir sind hier nicht bei der TAZ!“
Simon verbiss sich jede abfällige Bemerkung in punkto „Überparteilichkeit“ und „Unabhängigkeit“ des Merkurs:
„Hat die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Amigo-Affäre nicht auch gegen Paintinger ermittelt?“
In Vronis Augen funkelte es gefährlich:
„Daher weht der Wind! Da blieb auch im Prozess einiges im Dunkel! So weit ich weiß, hat ihn der ermittelnde Staatsanwalt als Zeugen einvernommen. Mir hat jemand von der Kripo Rosenheim gesteckt, dass der Neffe des Alten, Pankraz Paintinger, in die Sache involviert war und das von oben interveniert wurde, die Anklage wegen Steuerhinterziehung und illegale Parteienfinanzierung fallen zu lassen!“
Ihre Schritte hallten von den Mauern. So als ob Sie beschattet und belauscht würden, senkte Simon seine Stimme:
„Breitwieser kam auf Kaution frei. Kurz darauf wickelt er sich mit seinem BMW um einen Baum. Er hinterlässt einen Abschiedsbrief und eine am Grab herzergreifend schluchzende Witwe.“
Vronis Stimme klang seltsam gepresst:
„Die Anschuldigungen vermeintlicher Freunde, die Suspendierung vom Dienst haben den Armen ins Mark getroffen. So sah er keinen anderen Ausweg mehr – Sargdeckel, Aktendeckel zu!“
Instinktiv sah er sich nach heimlichen Verfolgern um:
„Es könnte doch sein, dass Paintinger die Hintergründe bekannt waren und er aus seinem Wissen Kapital schlagen wollte. Seine Exekution stellt eine Warnung an alle dar: Wir lassen uns von niemandem erpressen! Was wir sehen ist vielleicht nur die Spitze des Eisbergs. Und mitten unter uns treibt ein verbrecherisches Syndikat sein Unwesen – und setzt alle Hebel in Bewegung, um ja nicht aufzufliegen.“
Vroni hielt wenig von solch aberwitzigen Verschwörungsszenarien:
„Das klingt mir zu sehr nach Da Vinci-Code. Nur weil jemand aus der Reihe tanzt, metzelt man ihn nicht gleich nieder. Das wirbelt zu viel Staub auf und birgt zu viele Risiken in sich. Da gibt es wirkungsvollere sublimere Methoden, um jemand zu diskreditieren und kalt zu stellen!“
Vor seinem geistigen Auge sah sich Simon jedoch bereits wie ein Dachshund in ein weit verzweigtes unterirdisches Labyrinth vordringen:
„Bei dunklen Geschäften bleiben manche Rechnungen offen. Jemand brennt mit der Kasse durch und die Betrogenen sinnen auf Rache und Vergeltung.“
Vroni verlangsamte ihre Stöckelschritte:
„Denkst du an einen Bandenkrieg oder so was? Wir sind hier doch nicht in Kalabrien. Wer sollte sich denn an Paintinger rächen? Die Breitwieser-Brüder oder wer? Und weswegen?“
Vronis Magen schien heftig zu knurren:
„Wo ist jetzt diese dumme Gans? Wir müssten doch längst da sein.“
Simon suchte sich im Gewirr der Gassen zu orientieren. Wo war die verdammte Nonnbergstiege? Da wieherte ein Gaul, da klapperten eisenbeschlagene Hufe auf dem Kopfsteinpflaster. Eine von aufgeregt schnatternden Japanern gecharterte Droschke rollte auf Sie zu. Die dunkle Gestalt des
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