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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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runderneuerte Hohlweltlehre! Aber dein Führer hat an diesen unausgegorenen Unfug geglaubt!“
                In seiner Stimme schwang ein rechthaberischer Unterton:
                „Aber lassen wir den Führer! Kommen wir zu den Fakten! Ein Mineraloge vom Institut für Geologie und Paläontologie an der Uni Graz seilt sich in eine Felsspalte ab – und verschwindet. Sein besorgter Kollege, ein arrivierter Speläologe, folgt ihm, durchsucht stundenlang Spalten und Höhlen. Nichts! Schließlich alarmiert er die Bergrettung. Doch auch nach intensiver Suche findet sich keine Spur des Verschollenen. Neun Wochen später taucht der Totgeglaubte in einem über 200 Kilometer entfernten Bergwerksstollen wieder auf. Der Wissenschaftler wirkt völlig apathisch und verstört. Bei der Vernehmung in der lokalen Gendarmerieinspektion gibt er zu Protokoll, dass er sich an nichts mehr erinnern kann und keine Erklärung für sein mysteriöses Verschwinden hat. Das Ziffernblatt seiner Quarzuhr zeigt jedenfalls an, dass seit seinem Abstieg in die Unterwelt des Untersbergs noch nicht einmal 12 Stunden vergangen sind.“
                Die Stimme des selbst ernannten Phänomenologen war von metallischer Schärfe:
                „Es handelt sich um einen klaren Fall von Teleportation oder vielleicht auch Bilokation. Warum werden diese und andere X-Akten von den Behörden unter Verschluss gehalten? Warum wird die Glaubwürdigkeit seriöser Wissenschaftler in Abrede gestellt? Wieso werden achtbare Forscher diffamiert und desavouiert und ihre Ergebnisse als Lügenmärchen abgestempelt?“
                Simon spürte ein Brennen auf der Haut. Auf einem Schlag war er hellwach. Eine rötlich geränderte Schwellung markierte die Stelle an der ihn die Stechmücke zur Ader gelassen hatte. Wütend brummte er:
                „Scheißviecher! Allmählich reicht es mir!“
                Seine Begleiterin bedachte ihn mit den nachsichtigen Blicken einer Priesterin der Vesta, die das heilige Feuer zu hüten hat:
                „Der Weise weiß sich in sein Schicksal zu fügen.“
     
    Gab es Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich rationell nicht erklären ließen? Gab es so etwas wie eine metaphysische Ebene der Erkenntnis? Das Abendrot ließ die Gipfelgrate auflodern. Purpurne Flüsse stürzten über die Felsflanken. Der schmale Himmelsstreifen über dem Horizont leuchtete in den unwirklichsten Farbschattierungen: Karmesin, Zinnober, Himbeerrot bis hin zu Violett. Simon konnte sich nicht satt sehen an dem Farbkastenspielen der Natur. Er fühlte sich gefangen in der Magie des Moments. Dabei war er an sich kein Romantiker und Enthusiast. In aller Regel vertraute Simon seiner Ratio, seinem analytischen, messerscharf sezierenden Verstand. Er war stolz auf seine objektive Urteilskraft, die sich auf empirische Mess- und Erfahrungswerte stützte. Das Transzendente, Übersinnliche, Unerforschliche war ihm dagegen suspekt. Simon glaubte an das was er sah, was er fassen und begreifen konnte. Das Unsichtbare, Unergründliche beunruhigte, ängstigte ihn. Unerklärliche Phänomene wie UFO-Sichtungen, Hellseherei, Nekromantie oder Präkognition tat er mit einem achselzucken ab. Dämonen, Engel, Manen und andere Spukgestalten konnte es nicht geben, da diese körperlosen, substanzlosen „Geistwesen“ keine Spuren in der physischen Welt hinterließen und deswegen auch keine Wirkungen zeitigen konnten, Punktum! Die Prophezeiungen von Weissagern, Sterndeutern und Kartenlesern jeglicher Provenienz hielt er für ausgemachte Scharlatanerie. In manchen Momenten kamen ihm indes Zweifel an seinem profanen, diesseitigen Weltbild. War etwas Wahres am uralten Mythos von den Himmelsbergen, den Thronen der Götter? Vronis Schmelzwasser-Stimme sickerte in seine Gehörgänge, riss ihn aus seinen tief schürfenden Betrachtungen:
                „Wir sind gleich an der Grenze. Müssen wir da raus?“
                Simon antwortete mechanisch:
                „Halt dich rechts. Vor der LKW-Waage zweigt der Weg ab.“
                Hinter der Brücke über die Ache stieg das bewaldete Gelände leicht an. Vroni schaltete einen Gang zurück. Der Motor heulte auf, sein gusseisernes Herz pochte wie wild. Die Ventile klapperten, die Kolben stampften, als ob der Infarkt kurz bevor stünde. Seine feinen Nackenhärchen sträubten sich. Er sah sich schon panisch nach dem

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