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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Es war niemand anders als Vinzenz der da sprach:
                „Fiat lux! Es werde Licht! Und wo scheint das Licht am intensivsten und am leuchtendsten? Auf den Bergen! Diesen von Titanenhand aus dem Urgestein gehauenen Megalithen.“
                Der Sprecher wechselte seine Tonlage, seine Diktion war von der Schärfe geschliffenen Diamants:
                „Das Massiv des Untersbergs markiert den Knotenpunkt mächtiger, chthonischer Kraftlinien. Die keltisch, druidische Tradition sieht in ihm den Omphalos, den Umbilicus Telluris, den Punkt, an dem man den Hebel ansetzen muss, um die Welt aus den Angeln zu heben und die Erde um ihre eigene Achse zu drehen. Und warum? Bei der Kollision des gebündelten unterirdischen Teilchenstrahls mit der Masse des Monoliths kommt es zu Turbulenzen und Verwirbelungen. Stell dir ein Zyklotron wie bei CERN in Genf vor, in dem geladene Teilchen durch ein elektrisches Feld beschleunigt und in eine Kreisbahn geschossen werden. Dann kannst du ungefähr ermessen, welche Energiemengen beim Zusammenprall mit einem vertikalen Hadronenstrom frei werden. Der Berg beginnt zu vibrieren, pulsieren, ja zu leuchten.“
                Irgendwie wurde Simon das beklemmende Gefühl nicht los, dass er allein in einem abgedunkelten Verhörraum saß und ein schlecht synchronisierter Schwarzweißstreifen, bei dem die Schauspieler ihre Lippen immer einen Tick zu spät bewegten, über eine mit Fliegenschiss gesprenkelte Leinwand flimmerte:
                „Daher rührt also das Alpenglühen!“
                Die „Stimme aus dem Jenseits“ trat zwischen den Kulissen, die aus der Aufführung eines Wilderermelodrams des örtlichen Bauerntheaters stammten, hervor. Der Typ auf der Leinwand sprach nicht nur so, er sah auch so aus wie Vinzenz, der in der Paraderolle des Professors für okkulte Wissenschaften brillierte:
                „Die Thule-Gesellschaft, die Bruderschaft der schwarzen Sonne, die Vril-Verschwörer, die Adepten von Agarttha – alle haben um die Magie dieses Orts gewusst.“
                Im Stil eines Shakespeare-Tragöden steigerte er sich in ein rhetorisch, rhapsodisches Staccato hinein:
                „Die Jünger Jehovas, die Junker Judas, die Prioren des schwarzen Ordens! Warum wohl hat sich der geheime Kommandostab des RRD unter Führung Görings im April 45 auf dem Obersalzberg verschanzt?“
                Simon war drauf und dran zu soufflieren:
                „Weil für den dicken Herrmann kein Platz mehr im Führerbunker war.“
                Düstre Menetekel zeichneten sich auf der Leinwand ab:
                „Der Berg ist durchlöchert wie ein Stück Schweizer Käse. In seinem Innern verbirgt sich ein Labyrinth aus Stollen, Kavernen und Höhlen. Dort unten befindet sich der Zugang, das Tor zur Parallelwelt, hinüber nach Mittelerde.“
                Um dem Gesagten mehr Glanz und Relevanz zu verleihen, senkte Vinzenz seine Stimme:
                „Und dort befindet sich der Hort des heiligen Grals.“
               
    Das Licht der Filmprojektoren begann zu flackern. Schlagartig wurde es dunkel im Saal. Simon war dabei die Verbindung zur Traumwelt zu verlieren. Er wollte jetzt nicht aufwachen. Um tiefer in die virtuellen Realitäten einzudringen, musste er die Schaltstellen im Kortex reaktivieren. Da geisterten schemenhafte Bilder über die Leinwand: ein Wetterleuchten auf einem schwarzem Schirm. Endlich gewann das Bild an Kontur und Kontrast und gab den Blick frei auf die Bühne des Bauerntheaters. Wild gestikulierend redete der „virtuelle Vinz“ auf eine massige, in einen dunklen Mantel gehüllte Gestalt ein. Wer war dieser Mann mit dem Mantel – Göring, Godot?
                „Hör zu! Im Untersberg verschlingen sich energetisch aufgeladene Feldlinien. Ihr gebündelter Photonenstrahl wirkt wie ein hyperdimensionaler Laser, der selbst härtesten Stahl durchschneidet. Die ultimative V-Waffe! Verstehst du jetzt, warum die Amis alles daran gesetzt haben die Alpenfestung zu erobern? Sie wollten den Russen zuvorkommen und sich der Wunderkräfte des Grals bemächtigen!“
                Der mysteriöse Mantelträger widersprach entschieden:
                „Der Gral! Das ich nicht lache! Das müsste ich als Reichsfeldmarschall doch wohl wissen! In meinen Unterlagen findet sich nirgends

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