Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
Vom Netzwerk:
Schwiegervater. Er sah ihn auf der Terrasse seines Schlosses sitzen, seine goldene Uhr aus der Tasche ziehen und sardonisch lächelnd seine Bonmots zum Besten zu geben:
                „Die Tragödien der Anderen haben immer etwas Erbärmliches! Das Schauspiel des Todes hat etwas von einer perfiden Parodie!“
                Wie ein Schwarm aufgeregt surrender Hornissen schossen die Jäger auf ihn zu. Ihre Bordwaffen spien Tod und Verderben. Er versuchte nicht sich zu retten, erwartete wie ein in Diensten des Kaisers ergrauter Gardist das Unvermeidliche. Eine Maschinengewehrgarbe zerfetzte seine Brust. Er fiel, stürzte in einen dunklen Schacht an dessen anderen Ende ein weißes Licht pulsierte. Mit schwindenden Sinnen hörte er den alten Grafen den Todesengel soufflieren:
                „Beim Blute Jesu, solch wackerem Streiter gebührt ein Platz in Walhall!“

Die Ufer des Styx
    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem! Was du auch tust, handle klug und bedenke das Ende!
     
    Paulus Paintinger erwachte mit einem bleiernen Geschmack im Mund. Sein Schädel schien aus Erz gegossen zu sein. Eine schwere Glocke, die unter den wuchtigen Schlägen des stocktauben Glöckners von Friedlassing erdröhnte. Unter Geächze und Gestöhne überwand er sein Phlegma, wuchtete seinen schweren, sackförmigen Leib aus dem Bett und torkelte wie ein narkotisierter Tanzbär zum Spiegel. Erschrocken, ja entsetzt wich er vor seinem Spiegelbild zurück: War dieser verquollene, triefäugige Unhold das Ebenbild seiner selbst? War jener Spiegel verkehrte Doppelgänger sein Alter Ego, seine andere schlechtere Hälfte, ein hinter Glas gefangener Mister Hyde? Von einer merkwürdigen, innerlichen Unrast erfasst, kehrte er dem unheimlichen Doppelgänger den Rücken und schwankte wie ein Äquilibrist auf dem Drahtseil ins Badezimmer. Er steckte seinen Kopf ins Waschbecken und drehte den Wasserhahn voll auf. Das eiskalte Wasser wirkte Wunder, die bleierne Müdigkeit fiel von ihm ab und er wurde langsam wieder klar im Kopf. Solchermaßen erfrischt, wagte sich Paintinger an die Morgentoilette: er unterzog sich einer gründlichen Rasur, bürstete seine silberweiße Mähne nach hinten und klatschte sich etwas Eau de Toilette auf Stirn und Wangen. Nach diesem kosmetischen Kraftakt fühlte er sich stark genug, den nackten Tatsachen erneut ins Gesicht zu blicken! Und siehe da: Das Scheusal hatte menschliche Züge bekommen. Jener schwabbelige, glibberige Golem hatte sich in einen vor maskuliner Kraft und viriler Energie strotzenden Lebemann zurückverwandelt. Aus seinen unstet flackernden Augen sprachen Entschlussfreude, Willensstärke und Durchsetzungskraft. Ja, er war wieder ganz der Alte: Pankraz Paulus Paintinger, der Panther! Ein Mann wie ein Berg, wie ein Feuer speiender Vulkan.
                Selbstdisziplin, Spürsinn und der eiserne Wille zum Erfolg hatten ihn dem Weg nach oben geebnet. Die Midasgabe einen Misthaufen in eine Goldgrube zu verwandeln, hatte ihm die nötigen finanziellen Mittel beschert, um sich die Loyalität seiner Spießgesellen zu versichern, seine Machtbasis zu festigen und seinen Einfluss kontinuierlich zu erweitern. Und wenn er auch nicht der „allmächtige“ Padrino war, so wurde er doch allseits geachtet und gefürchtet. Mochte Gott in seinem Sphärenschloss im Himmel hocken, unten auf Erden war er sein eigner Herr. Hier spann er wie eine Spinne seine Fäden und musste nur darauf warten, bis sich ein unachtsames Insekt in seinem Netz verfing.
                Sein Buddha-Bauch war ihm beim gesellschaftlichen Aufstieg nie im Weg gestanden. Im Gegenteil: Sein Wanst wirkte wie ein natürlicher Schutzschild, der die Stiche und Stöße seiner Kontrahenten abfing. Paintinger war kein Freund von frugalen Mahlzeiten, hielt nichts von karger Kost, Diätplänen und Abmagerungskuren. Als praktizierender Vielfraß achtete er sorgsam darauf, dass er nicht vom Fleisch fiel und sein Ranzen in Form blieb: eine fett triefende Schweinshaxe mit Knödel hier, eine Rindsroulade mit Püree da, ein paar Palatschinken mit Zwetschgenröster und Schlagobers dort. Dazu ein Humpen Kellerbier hier, ein Dämmerschoppen dort und ein paar Obstler hie und da. Das Kampfgewicht, das man auf die Waage brachte, hatte schließlich einen entscheidend Anteil am Erfolg – im Boxring wie im Wirtschaftsleben. Paintinger hatte allerdings auch andere, härtere Zeiten erlebt.
                Als Jungspund

Weitere Kostenlose Bücher