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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Feuerbichels schaffen. Rottenbucher trat neben ihm. Der alte Fuchs schien seine Unschlüssigkeit, seine Unentschlossenheit zu spüren:
                „Wir hinken unserem Zeitplan mächtig hinterher was?“
                Er nickte bedeutsam, deutete auf das vor ihnen liegende Gebirgsjoch:
                „Da müssen wir hinauf! In der Talmulde dahinter liegt laut Karte die Pfandler-Alm. Dort kampieren wir!“
                Rottenbucher zog seine Stirn kraus:
                „Wo bleibt eigentlich der angeforderte Bergführer? Sollte er uns nicht oben am Joch erwarten? Der Kerl müsste sich doch irgendwie bemerkbar machen!“
                Altenbrunner blaffte unwirsch:
                „Was weiß ich, Dietrich? Vielleicht hat er etwas falsch verstanden und hockt drunten auf der Alm. Bei der Einsatzbesprechung hat man mir jedenfalls versichert, dass sich unser Mann hier oben auskennt wie kein Zweiter und wir uns tausendprozentig auf ihn verlassen können!“
                Er fischte ein Foto des Burschen aus der Brusttasche und drückte es Rottenbucher in die Hand. Der alte Haudegen betrachte das Konterfei des Mannes eingehend, schien in dessen Zügen lesen zu wollen:
                „Mit Verlaub, Standartenführer. Der Schweinehund hat für mich eine typische Verbrechervisage: krumme Judennase, fliehende Stirn, mongolische Wangenknochen. Und schauen Sie sich diesen Habichtsblick in den schiefrig, grauen Augen an.“
                Rottenbucher war ein guter Menschenkenner. Auf sein Urteil war gemeinhin Verlass. Auch er selbst hegte gewisse Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit ihres Führers. Er hatte sich während der Offiziersausbildung mit phrenologischen Studien beschäftigt, Schädelformen auf charakteristische Typologien hin untersucht: ihr Scout ließ sich zweifelsfrei dem dinarisch-montanen Typus zuordnen. Zu den hervorstechenden Charakteristika dieses Typus zählte ein cholerisches Temperament, eine mentale Disposition zu Zügellosigkeit, Jähzorn und Gewalttätigkeit. Sprich, solchen Lumpen war nicht zu trauen! Altenbrunner fragte sich, ob Frank ein doppeltes Spiel mit ihnen trieb? Wollte jemand von ganz oben die Operation sabotieren? Wieso war ausgerechnet jetzt der dicke Hermann auf dem Obersalzberg aufgetaucht? Steckte er mit dem Berghof-Kommandanten unter einer Decke? Wollte sich der Reichsfeldmarschall die Kunstschätze des Führers unter den Nagel reißen? Es war bekannt, dass Göring ein besessener Sammler war und sich Hoffnungen auf die Nachfolge Hitlers machte! Missmutig raunte er Rottenbucher zu:
                „Dietrich! Mach den Jungs Feuer unterm Arsch. Ich hab da so ein Gefühl, dass wir Probleme bekommen!“
                Rottenbucher zog die Augenbrauen hoch, enthielt sich aber jeglichen Kommentars. Er lief die Kolonne entlang und trieb die erschöpften Männer unermüdlich an:
                „Los, los, beeilt euch, schneller! Wir haben eben Meldung erhalten, dass feindliche Verbände im Anflug sind!“
                Der Trick war alt, wirkte aber immer. Die Soldaten mobilisierten ihre Reserven, trieben die Mulis mit Stockschlägen und dem Versprechen auf eine Sonderration zu Höchstleistungen an. Altenbrunner stieg auf einen Felsblock und betrachtete von oben das Defilee seiner Soldaten. Er fühlte so etwas wie Stolz und eine tiefe Dankbarkeit in seiner Brust. Mit Männern dieses Schlags hatte König Leonidas an den Thermophylen die Perser aufgehalten, hatte Frundsberg die Wälle Roms erstürmt, hatte Blücher den großen Korsen zum Rückzug gezwungen. Mit solchen Männern… Altenbrunner sollte nicht dazu gekommen seinen Gedanken zu Ende zu führen.
                Ein Dröhnen, Wummern und Sirren erfüllte die Luft. Aus dem Blau des Himmels stürzte sich ein Pulk Feindflugzeuge auf die sich durch offenes Terrain bewegende Marschkolonne herab. Metalllibellen, deren Flügel im Licht der Sonne aufglänzten. Wie durch Watte drang das ängstliche Wiehern der Tiere, das gellende Geschrei der Männer an sein Ohr. Er hörte die verzweifelten Rufe Rottenbuchers:
                „Runter vom Weg! Geht in Deckung!“
                Altenbrunner brachte keinen Ton heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Eigenartigerweise dachte er in dieser Sekunde weder an seine Männer, seine Frau oder den Führer. Nein, er dachte an seinen

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