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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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die Stirn bot und sich in bodenlose Abgründe stürzte, um die Welt vor dem Bösen zu retten. Und für was das alles? Um einer rätselhaften Schönen, einer Sphinx, einer Sirene zu begegnen, die ihn betörte und doch nicht erhörte. Mit der Virtuosität eines kalabresischen Espresso-Experten setzte Vroni sämtliche Hebeln der Mokka-Maschinerie in Bewegung. Zischend und fauchend erwachte der Lavazza-Lindwurm zum Leben. Das chromblitzende Monstrum erbebte und vibrierte, als ob in seinem Innern ein alchimistischer Transformationsprozess in Gang gesetzt worden war. Simon hielt Distanz zu dem eine Wolke von Dampf ausstoßenden Ungeheuer und hielt sich lieber an einem Grappa. Vronis Einsilbigkeit irritierte, verunsicherte ihn. Wieso zeigte Sie ihm demonstrativ die kalte Schulter. Er fühlte sich so unwohl wie Jason in Gegenwart Medeas. Der Kapitän der Argonauten saß in der Patsche: ohne das neurotische Prinzesschen aus Kolchis blieb das goldene Vlies unerreichbar. Mit der überspannten Mänade handelte er sich nichts als Ärger ein. Medea war ein liebestolles Vollblutweib, in deren Brust zwei Seelen wohnten: die der leidenschaftlichen Geliebten und die der Rachegöttin. Der Überschwang ihrer Gefühle war Jason unheimlich. Denn der grenzenlose Hass war die Kehrseite der leidenschaftlichen Liebe. Simon erging es wie Jason: er wusste nicht recht wie er sich am besten aus der Affäre zog. Ihre weichen, weiblichen Hände streichelten den Hebel, drückten ihn sanft nach unten. Ein Strahl heißen Dampfes ließ die milchigbraune Flüssigkeit im Becher aufschäumen. Simon stand mit dem Rücken zur Wand. Sein Lächeln war aufgesetzt, maskenhaft, seine Kehle wie zugeschnürt. Wie konnte er seine Verlegenheit, das beklemmende Gefühl des eignen Versagens überwinden? Unstet suchte sein Blick in den klinisch weiß getünchten Raum einen Fix- einen Haltepunkt. Die Küche war so kahl wie funktional, war glänzender Edelstahl und hartes, helles Licht. Es war nicht zu übersehen, dass hier ein Innendekorateur am Werk gewesen war, der Wert auf klare, schnörkellose Linien legte und auf den Kanon reduzierter, kubistischer Formen schwor. Vroni fing seinen skeptischen Blick auf:
                „Na was hältst du von meinem Küchendesign?“
                Ein kesses Lächeln kräuselte ihre Lippen:
                „Falls dir das eine Nummer zu prosaisch ist, kannst du mir ja ein paar Porzellanteller und Terrinen von Hutschenreuther besorgen.“
                Sichtlich verlegen drehte er das Schnapsgläschen zwischen den Händen:
                „Wenn du schön brav bist!“
                Der „schlichte Stil“ war Vronis neuester Spleen. Wohn- und Esszimmer zierten mit Intarsienarbeiten veredelte, schier für die Ewigkeit geschreinerte Bauernmöbel. Keller und Speicher waren gerammelt voll mit Anrichten, Kommoden und Schränken aus alten Schank- und Bauernstuben. Wohlweislich ließ er sich auf keine Design-Debatte ein. Unweigerlich würde er dabei Schiffbruch erleiden. Für ästhetische und stilistische Fragen brachte er nur wenig Verständnis auf. Das Dekorum seines Outfits ließ gleichfalls eklatante Modemängel erkennen: um seinen Schwanenhals schlang sich ein speckiges, indigofarbenes Seidentüchlein, übers Bierbäuchlein spannte ein ausgewaschenes Batik-Hemd. Die rostrote Röhrenhose schien dagegen der Mottenkiste eines in der Midlife-Crisis steckenden Latin Lover entsprungen zu sein. Ein Belami, dem die Frauen zu Füßen lagen, sah wahrhaftig anders aus. Und die Paraderolle des unerschrockenen Helden und Herzensbrechers ließ sich nur schwerlich auf seinen fülligen Leib schneidern.
     
    Die Früchte sahen verlockend aus. Ihre Schalen glänzten, ihr aromatischer Duft stieg ihm in die Nase. Entschlossen sich vom schönen Schein nicht blenden und verführen zu lassen, ließ Simon die Pfirsiche und Aprikosen Güteklasse A in der Obstschale liegen und begrapschte einen schrumpeligen, von Würmern angebohrten Bioboskop. Der Welt wäre einiges erspart geblieben, wenn Adam den Verlockungen des Paradieses widerstanden und nicht in den sauren Apfel gebissen hätte. Dann säßen sie heute samt und sonders im Elysium. Es schien immerhin fraglich, ob es dort die Institution des Kaffeehauses gab. Mit dem Lächeln der ewigen Eva näherte sich ihm die süße Versuchung in der Gestalt Vronis:
                „Ecco, un espresso macchiato!“
                Er legte das

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