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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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demonstrativ den Rücken zu:
                „Vinz, ich hab mit dir zu reden – und zwar unter vier Augen!“
                Die Alte hakte sich bei Vinzenz unter und humpelte an seinem Arm davon. Simon stand da wie bestellt und nicht abgeholt. Sollte er diese demütigende Behandlung klaglos hinnehmen und sich wie ein Bittsteller abwimmeln lassen? So nicht! Es war sein Job Fragen zu stellen, nach Erklärungen zu suchen, die Hintergründe zu erhellen, um Licht ins Dunkel zu bringen.
     
    Der schmucklose Grabstein war kein Ruhmesblatt für den Steinmetz. Hastig überflog er die in Gold gravierten Namen und wühlte dabei in den ausgebeulten Taschen seiner Windjacke:
                „Zefix! Habe ich das Drecksteil bim Wirt liegenlassen?“
                Wie ein Reiter ohne Ross, wie ein Dragoner ohne Säbel fühlte sich Simon ohne Diktafon wie ein halber Mensch. Gotteslästerlich fluchend suchte er sich Namen und Daten wie ein Gedächtnisakrobat einzuprägen:
                „Theresia Katharina Hallhofer, vulgo Voggerberger-Tochter von Osterreit, geboren am 17. Oktober 1897, verstorben den 6. September 1985. Eligius Egidius Hallhofer, Holzer-Vater von Arbing, geboren am 27. März 1883, gestorben am 18. Februar 1963. Rupert Thaddäus Hallhofer, geboren am 4. Juli 1921, gefallen am 25. Februar 1943 in Russland. Koloman Kastulus Hallhofer, geboren am 2. Februar 1925, vermisst Mai 1945. Wer in Gott ruht, der ruht in Frieden!“
                Simon kniff die Augen zusammen, um jeden Zufall, jegliche Alkohol bedingte Sinnestrübung auszuschließen. Doch da stand es schwarz auf weiß, respektive Gold auf Granit: Rupert und Koloman Hallhofer! Er hatte ein Déjà-vu-Erlebnis, sah die Rote Marter, die Waldlichtung, das schmiedeeiserne Kreuz überdeutlich vor sich. Das konnte keine Koinzidenz der Zufälle sein! Er musste mehr über die beiden Gefallenen in Erfahrung bringen. Hatten Sie Paintinger gekannt? Waren Sie Kameraden, Komplizen, Freunde oder erbitterte Feinde gewesen? Simon spürte wie ihm schwindlig wurde, wie der Boden wie bei einem Erdbeben unter seinen Füßen schwankte. War er unversehens auf eine sublunare Ader, ein subterrestrisches Energiefeld gestoßen, dass ihm hellseherischen Fähigkeiten verlieh? Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er das Gefühl, dass sein Herzschlag aussetzte, die Zeit gefror. Was bedeutete schon die Vergangenheit? Das Licht war ewig, das Licht das Kether, der Strahlenkranz Gottes emittierte. Was hier geschieht, wirkt anderswo weiter.
                Wie kam er auf solch seltsame Gedanken? Rief in die Seherin Kassandra aus der Schattenwelt? Da waren Sie wieder die wispernden Stimmen in seinem Kopf:
                „Das Opfer weist den Weg zum Mörder. Mag sein das Justitia blind ist, Eris aber hat ihre Augen und Ohren überall!“
                War es schon so weit mit ihm, dass er Gespenster sah und Stimmen aus dem Jenseits hörte? Um Halt bemüht stützte er sich auf den Grabstein. Simon wischte sich die schweißnasse Stirn, suchte die Benommenheit abzuschütteln. Was ging da in den Tiefen des Un- und Unterbewussten vor? Was wusste er über den Mörder, seine möglichen Motive, seine inneren Triebkräfte, seine Obsessionen und Dämonen? War er ein irrer Psychopath? War er ein kaltblütiger Auftragskiller? Handelte es sich um einen religiösen Fanatiker, der blindlings zuschlug? Er war kein Profi-Profiler, der nüchtern die Ergebnisse auswertete, vergleichbare Fälle analysierte, nach bestimmten, wiederkehrenden Mustern suchte, ein Psychogramm, ein Täterprofil erstellte, bis sich ein Phantombild aus dem Dunklen schälte. Er war kein Kriminaler, der noch die winzigsten DNA-Rückstände, das Fragment eines Fingerabdrucks entdeckte und Stück für Stück das Mosaikbild des Mörders zusammensetzte. Er musste sich auf seine Intuition, seinen Riecher verlassen. Simon atmete durch und fühlte sich kräftig genug, um wieder auf seinen eigenen Beinen zu stehen. Die ganze Geschichte kam ihm sonderbar, ja eigenartig vor. Was sollte diese Farce? Wieso hatte ihn Vinzenz hierher geschleift? Er hätte doch die Reaktion der alten Bißgurke voraussehen können. Und überhaupt: Welchen Grund hatte die Alte ihm mit solch schroffer Feindseligkeit zu begegnen? Gab es da etwas in den Annalen der Familiengeschichte von dem die Alte nicht wollte, dass es publik wurde? Sein Jagdinstinkt war geweckt.
                Auf

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