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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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gestürzt? Hatte sie einen Herzinfarkt erlitten? Ich ging rasch hinüber und konnte ihr abgehacktes Gemurmel hören.
    Der Mann war weißhaarig, sein Gesicht zerfurcht, und er schaute mich aus milchig trüben Augen an. »Holen Sie die Polizei«, sagte er mit zittriger Stimme. »Und einen Krankenwagen.«
    »Was ist denn los?«, fragte ich, sah es aber in diesem Augenblick auch schon.
    In dem etwa dreißig Zentimeter breiten Spalt zwischen dem Eisenwarenladen und dem Schönheitssalon klemmte ein kleiner Körper, die Beine zum Gehweg gestreckt. Als säße sie einfach da und wartete auf uns, die braunen Augen weit aufgerissen. Ich erkannte die wilden Locken. Doch das Grinsen war verschwunden. Natalie Keenes Lippen waren eingesunken und in der Mitte leicht geöffnet. Sie sah aus wie eine Babypuppe mit eingebautem Loch, durch das man die Flasche geben konnte. Natalie hatte keine Zähne mehr.
    Mir stieg das Blut in den Kopf, ein Schweißfilm überzog meine Haut. Mein ganzer Körper wurde schlaff, und ich fürchtete schon, neben die Frau zu kippen, die leise zu beten anfing. Also richtete ich mich auf, lehnte mich an ein parkendes Auto. Fühlte meinen rasenden Puls, zwang mich zur Ruhe. Sinnlose Bilder blitzten vor meinen Augen auf. Die schmutzige Gummispitze am Gehstock des alten Mannes. Ein rosa Muttermal am Hals der Frau. Das Pflaster auf Natalie Keenes Knie. Ich spürte, wie ihr Name heiß unter meinem Ärmel erglühte.
    Fremde Stimmen, dann kam Chief Vickery auch schon mit einem weiteren Mann angelaufen.
    »Verdammte Scheiße«, knurrte er, als er Natalie sah. »Verdammte Scheiße.« Er legte das Gesicht schwer atmend an die Mauer des Schönheitssalons. Der andere Mann war etwa in meinem Alter und hockte sich vor Natalie hin. Ein violetter Streifen lief um ihren Hals, er tastete knapp darüber nach dem Puls. Reine Hinhaltetaktik, während er um Fassung rang – das Kind war eindeutig tot. Vermutlich der super wichtige Ermittler aus Kansas City.
    Aber er verstand sein Geschäft, brachte die Frau dazu, mit Beten aufzuhören und ruhig zu berichten, wie sie das Kind entdeckt hatte. Die beiden waren ein Ehepaar, die Besitzer des Cafés, deren Name mir am Vortag nicht eingefallen war. Broussard. Sie wollten gerade fürs Frühstück öffnen, als sie sie gefunden hatten. Etwa fünf Minuten später war ich gekommen.
    Dann erschien ein uniformierter Polizist, der das Gesicht in den Händen vergrub, als er sah, weshalb man ihn gerufen hatte.
    »Sie alle müssen mit dem Kollegen zur Wache gehen und eine Aussage machen«, erklärte Kansas City. »Bill?« Seine Stimme klang väterlich streng. Vickery kniete reglos neben der Leiche. Seine Lippen bewegten sich, als betete auch er. Er reagierte erst, als er das dritte Mal beim Namen gerufen wurde.
    »Ich höre Sie, Richard. Seien Sie mal für eine Sekunde ein Mensch.« Vickery legte die Arme um Mrs. Broussard und sprach leise auf sie ein, bis sie ihm die Hand tätschelte.
    Ich saß zwei Stunden lang in einem dottergelben Raum, während der Beamte meine Geschichte aufnahm. Die ganze Zeit dachte ich an Natalie, die nun obduziert wurde, und dass ich mich gern hineingeschlichen und ihr ein sauberes Pflaster aufs Knie geklebt hätte.

3 . Kapitel
    M eine Mutter trug Blau zum Begräbnis. Schwarz war zu hoffnungslos, jede andere Farbe galt als unschicklich. Sie hatte auch bei Marians Begräbnis Blau getragen, genau wie Marian selbst. Sie war erstaunt, dass ich mich nicht daran erinnerte. Ich hatte immer geglaubt, Marian sei in einem blassrosa Kleid begraben worden. Das überraschte mich nicht sonderlich. Wenn es um meine tote Schwester geht, sind meine Mutter und ich grundsätzlich verschiedener Meinung.
    Am Morgen, an dem der Gottesdienst stattfand, klapperte Adora auf spitzen Pumps durchs Haus, versprühte Parfüm, hakte Ohrringe zu. Ich beobachtete sie und trank heißen schwarzen Kaffee, an dem ich mir die Zunge verbrannte.
    »Ich kenne sie nicht gut«, sagte sie. »Sie gehen nicht viel unter Leute. Aber ich finde, die Stadt sollte sie unterstützen. Natalie war so ein liebes Ding. Die Leute waren auch freundlich, als …« Ein wehmütiger Blick zu Boden. Vielleicht sogar aufrichtig.
    Ich war nun schon seit fünf Tagen in Wind Gap und hatte Amma noch immer nicht gesehen. Meine Mutter erwähnte sie nie. Es war mir bisher nicht gelungen, einen Kommentar von den Keenes zu bekommen, und ich hatte auch nicht um Erlaubnis gefragt, ob ich zur Beerdigung kommen durfte. Aber Curry hatte noch nie

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