Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
vollbracht hatte, würde Gott es bestimmt für angebracht halten …
Dong!
Ihm blieb fast das Herz stehen. Dann wurde ihm klar, dass es die Kirchenglocken waren, die zur vollen Stunde schlugen.
Dong!
Er war bereit. Messer, Seil und für den Notfall die kleine Pistole – alles war griffbereit.
Dong!
Er beugte sich aus dem Schatten der Säule vor, wartend, wachsam.
Dong!
Er sah eine dunkle Gestalt näher kommen, eilig, mit gesenktem Kopf. Sie war klein. Zerbrechlich. Es würde viel leichter sein, als er erwartet hatte.
Sie setzte sich auf eine Bank, murmelte leise vor sich hin und ließ die Perlen eines Rosenkranzes durch ihre Finger gleiten, während er sich im Schutz der hohen, dunklen Stauden lautlos anschlich.
Dong!
Die Totenglocke. Mit einem Sprung war er bei ihr, warf seine kleine Schlinge über ihren Kopf und zog sie um ihren Hals zu. Sie keuchte, wehrte sich, griff sich verzweifelt an den Hals. Ihr zierlicher Körper war stärker, als er in der Tracht wirkte. Der Rosenkranz fiel auf die glatten Steine, auch ihr kleines Gebetbuch fiel zu Boden. Ihr Rücken bog sich durch. Sie versuchte zu schreien, ihn von sich zu stoßen, sie kämpfte mit Zähnen und Klauen.
Aber diese kleine Nonne, Schwester Vivian – »Viv« wur-de sie genannt –, war ihm nicht gewachsen. Bei weitem nicht.
Er zog die Schlinge fester zu. Seine Armmuskeln entspannten sich erst, als sie schlaff wurde, den Kampf aufgab.
Er fühlte sich mächtig. Wahrhaft gottähnlich führte er sie an die Grenze, in die dunkle Bewusstlosigkeit, dann schleppte er sie flink und geschickt im Feuerwehrgriff aus dem Garten und durchs Haupttor vom Campus. Das war der gefährlichste Teil.
Wenn ihn jetzt jemand sah, musste er von der Schusswaffe Gebrauch machen, und das würde Komplikationen mit sich bringen. Geschmeidig huschte er durch die Schatten, versteckte sich, sobald er etwas hörte, schlüpfte rasch in eine Gasse, als ein Müllauto mit hellen Scheinwerfern vorbeifuhr.
Er schwitzte vor Angst, fühlte sich aber gleichzeitig auch beschwingt.
Diese Entführung war ein neuer Kick.
Diese Nonne sollte gerettet werden.
Aber nur für kurze Zeit.
Dann musste auch sie sterben.
Kristi wälzte sich seufzend aus dem Bett. Es war einfach entschieden zu früh zum Aufstehen. Draußen war es noch nicht einmal hell, doch sie hatte keine Wahl, denn schließlich wollte sie sich fit halten. Außerdem brauchte sie einen Ausgleich zu ihren Arbeitstagen bei Gulf Auto and Life, den acht Stunden mit Anrufen und Beschwerden.
»Bah«, sagte sie laut, stand auf und ging zum Schrank, wo ihre Sporttasche mit Schwimmsachen und Trainingsanzug bereitstand. Das Studio, in dem sie trainierte, war schäbig, doch immerhin gab es dort ein sauberes Schwimmbecken mit Olympiamaßen, in dem sie zu dieser frühen Morgenstunde sicher eine Bahn für sich allein haben würde. Später am Tag war das Becken meist überfüllt, und außerdem brauchte Kristi die Zeit nach der Arbeit, um zu lesen, Krimis im Fernsehen anzuschauen oder an ihren eigenen schriftstellerischen Projekten zu arbeiten. Gerade hatte sie wieder zwei Storys über reale Kriminalfälle an eine Zeitschrift verkauft, jedoch das Angebot des Chefredakteurs ausgeschlagen, eine flotte Krimiserie im Nancy-Drew-Format zu schreiben. Der Redakteur schien immer noch zu glauben, sie könnte ihren Vater, der ja schließlich bei der hiesigen Mordkommission war, für ihre schriftstellerischen Ambitionen begeistern und von ihm Informationen für ihre Projekte beziehen.
Schön wär’s.
Sie zog ihr New-Orleans-T-Shirt in Übergröße aus und schlüpfte in Sport- BH , T-Shirt und Shorts. Dann ging sie ins Bad, wusch sich das Gesicht und steckte ihr Haar zu einem festen kleinen Knoten auf. Nachdem sie noch ein paar Dehnübungen absolviert und ihren Kreislauf ein wenig in Schwung gebracht hatte, zog sie ihre Flip-Flops an und nahm die Sporttasche mit Kleidung zum Wechseln, Tennisschuhen und allem, was sie sonst noch brauchte, wenn sie ihr Training erweitern und auch noch auf dem Laufband oder der Hantelbank arbeiten wollte.
Sie holte eine Flasche Wasser aus ihrem kleinen Kühlschrank und warf auf dem Weg zur Tür einen Blick auf den Funkscanner auf ihrem Schreibtisch. Ihr Vater hatte getobt, als sie das Gerät angeschafft hatte, um den Polizeifunk abzuhören, doch das kümmerte Kristi nicht. Schließlich war es ihr Geld, ihre Wohnung, ihre Angelegenheit.
Was die Wohnung betraf … Sie sah sich um und verzog das Gesicht. Auf den
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