Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
bestraft!
Aufgewühlt stand er vor dem Feuer, die letzte Zahl – 111 – glänzte neben den anderen auf seinem Körper. Er blickte auf die Worte, die zu tätowieren so viele Stunden gedauert hatte, in denen er das Stechen der Nadel, den beißenden Schmerz der kleinen Wunden gespürt hatte. Und jetzt waren da so viele neue, noch verschorfte Tätowierungen.
Die Nonne stöhnte lauter.
Gerettet.
Von der Schwelle des Todes zurückgeholt … nur um dann für immer ins Nichts einzutauchen. Er erwog, bereits jetzt die nächste Tätowierung anzubringen, entschied jedoch, dass es noch warten musste. Das Ritual verlief immer gleich. Zuerst musste er töten.
Nicht immer. Du hast diese Regel bereits gebrochen … Schau in den Spiegel. Was siehst du?
Er sah
ihren
Namen.
Eve.
In seine Haut eingeschrieben, als ständige Erinnerung an sie. Er folgte dem Namenszug mit einem Finger, strich immer wieder darüber, stellte sich vor, wie die Nadel in ihr festes Fleisch eindrang, immer tiefer, immer schneller, wie sich der Schweiß auf ihren Körpern mischte, während er sie voller Ehrfurcht endgültig zu der Seinen machte.
Sein Blut wallte heiß auf.
Eve. Eve. EVE !
Ihretwegen hatte er seine eigene Regel verletzt, doch mit dieser … dieser bedeutungslosen Nonne verhielt es sich anders.
Er drehte sich um und sah, dass sie wach war, die Augen vor Entsetzen geweitet, die Stimme durch den Knebel nur ein angsterfülltes Gurgeln.
»Viv«, flüsterte er, und im Feuerschein war deutlich zu sehen, wie sich ihr bleicher, golden schimmernder Körper wand.
Sie schüttelte wild den Kopf, stieß unverständliche Laute aus.
In gewisser Weise tat sie ihm leid, die Sünderin. Er trat wieder vor seinen Altar, nahm den Rosenkranz und zog die blutrote Perlenschnur behutsam durch die Finger der gefesselten Nonne. Tränen schossen ihr in die Augen; sie blinzelte, doch er wusste, dass sie im Geiste bereits Trost im Gebet suchte.
Dann machte er sich an die Arbeit.
[home]
22.
W as hatte sie getan?
Eve schlug verschlafen die Augen auf und wälzte sich im Bett herum in der Erwartung, Cole neben sich vorzufinden. Diese herrlichen Stunden intensiver körperlicher Liebe waren kein Traum gewesen – sie hatte in der vergangenen Nacht, unter dem Einfluss von Schmerztabletten, Cole Dennis buchstäblich verführt!
Doch nun lag sie allein im Bett, und als sie sich zur Seite drehte, durchfuhr ein heftiger Schmerz ihre Schulter.
Ach ja.
Sie blickte an sich hinunter. Außer der Armschlinge hatte sie nichts am Leib.
»Na großartig«, murrte sie, stieg aus dem Bett und betrachtete sich flüchtig im Spiegel über der Kommode. Der Anblick war schlimmer, als sie befürchtet hatte. Mit einem leisen Stöhnen registrierte sie ihre blauen Flecken, das zerzauste Haar, die dunklen Ringe um die Augen. Entweder hatte sie in der letzten Nacht Großartiges erlebt … oder aber das Gegenteil.
Und wo steckte Cole?
Vielleicht hatte er sich schon aus dem Staub gemacht.
Es wäre wohl das Beste so. Sie durfte sich nicht noch einmal mit ihm einlassen, das wäre emotionaler Selbstmord.
Sieh den Tatsachen ins Auge, Eve. Du
hast
dich längst eingelassen.
Bei dem Gedanken verzog sie das Gesicht. Da hörte sie Cole im Erdgeschoss singen – entsetzlich schräge Töne, die zusammen mit dem Duft frischen Kaffees die Treppe heraufzogen. Genau wie früher. Als hätte es nie dieses grauenhafte Zerwürfnis zwischen ihnen gegeben, das beinahe dazu geführt hätte, dass sie einander vor Gericht gegenüberstanden – weil sie überzeugt war, er habe sie umbringen wollen, während er glaubte, sie schliefe mit einem anderen Mann.
Und nun war der arme Roy tot.
»Mein Leben ist eine Seifenoper«, sagte Eve vor sich hin, griff nach ihrem Bademantel und ging barfuß in den ersten Stock hinunter, wo sie sich im Bad einschloss, rasch duschte und ein paar Schmerztabletten schluckte. Sie verzichtete darauf, sich das Haar zu föhnen, und legte außer einem Hauch Lippenstift und ein wenig Mascara kein Make-up auf. Dann schlüpfte sie wieder in den Bademantel und zog den Gürtel straff. Auf der Treppe wäre sie beinahe über Samson gestolpert.
»Pass auf«, warnte sie den Kater und folgte ihm in die Küche, wo Speck in der Pfanne brutzelte.
Cole stand an der Spüle und besaß die Dreistigkeit, putzmunter auszusehen.
Er schenkte Kaffee ein und bereitete Rührei; ein Teller mit Kartoffelpuffern stand bereits dampfend auf dem Tresen.
»Du warst schon einkaufen?«, fragte Eve. Der alte
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