Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
die Forensiker ihre Arbeit fortsetzten, nahmen Montoya und Bentz den Klostergarten in Augenschein, in dem Schwester Rebecca Renault aus dem Leben geschieden war. Grillen zirpten, ein Frosch quakte, der Springbrunnen plätscherte im Morgenlicht. Ohne die Leiche und die Blutflecke auf den Pflastersteinen wäre es ein idyllischer, friedlicher Ort gewesen, ein Hort der Ruhe und inneren Einkehr.
Doch nun war er für immer entweiht.
»Manchmal ist dieser Job wirklich hart«, knurrte Montoya.
Bentz blinzelte in die aufsteigende Sonne. »Nicht nur manchmal«, sagte er.
Er erkundete noch ein paar Minuten lang die Umgebung, stellte sich vor, wie der Mörder in den Klostergarten eingedrungen war, wie er die zierliche kleine Nonne überrumpelt hatte, wie der Mord vonstattengegangen war.
Sie hatte nicht die geringste Chance, sagte sich der Detective, während er auf das Kloster zuging. In den dunklen Korridoren herrschte Stille bis auf das gelegentliche Flüstern der Nonnen, die aufgereiht dasaßen und darauf warteten, dass sie einzeln zur Vernehmung in ein kleines Zimmer gerufen wurden. Schwester Rebeccas spartanische Zelle und ihr etwas aufwendiger eingerichtetes Büro waren für die Spurensicherung abgesperrt worden, ebenso wie der Bereich, in dem die Leiche gefunden worden war, der Kreuzgang nicht weit von der Kapellentür.
Welch ein Schauplatz für einen Mord,
dachte Bentz, legte die Batterien in seinen Rekorder ein und setzte sich Schwester Odine gegenüber. Sie war eine zerbrechlich wirkende Frau von schätzungsweise Ende sechzig oder Anfang siebzig und ungemein scharfsinnig.
Sie und die anderen Nonnen berichteten im Großen und Ganzen das Gleiche. Schwester Rebecca hatte am Vespergottesdienst teilgenommen und dann wie üblich noch in ihrem Büro gearbeitet. Mehrere Schwestern hatten das Licht im Fenster gesehen.
Es war auch nichts Außergewöhnliches, dass sie allein in den Klostergarten oder die Kapelle ging. Sie war eine agile Frau, die mit wenigen Stunden Schlaf pro Nacht auskam. Schwester Odine hatte am frühen Morgen auf dem Weg zur Kapelle die Leiche gefunden.
Montoya verlangte eine Liste aller, die Schwester Rebecca in den vergangenen zwei Monaten besucht oder angerufen hatten, und Bentz bat zusätzlich um eine Aufstellung der Personen, die im Kloster Our Lady oft Virtues lebten oder arbeiteten. Mit einigen Fragen wurden die Detectives an das zuständige Pfarramt verwiesen, mit anderen an die Erzdiözese, und als sie um Aufzeichnungen über Beschäftigte und Patienten der mittlerweile geschlossenen psychiatrischen Anstalt baten, öffnete Schwester Odine den Mund, schloss ihn dann wieder und schüttelte den Kopf, dass ihr Schleier raschelte.
»Tut mir leid«, sagte sie, »aber ich habe keine Ahnung, wo die geblieben sein könnten. Sie könnten sich natürlich an die Erzdiözese wenden und auch die Unterlagen durchsehen, die wir hier noch haben, aber die Klinik ist schon seit so vielen Jahren geschlossen … Ich weiß nicht einmal, ob überhaupt noch Aufzeichnungen existieren.« Sie blinzelte ein paarmal und griff nervös nach dem Kruzifix, das sie an einer Kette um den Hals trug. »Doch, natürlich muss es noch Unterlagen geben. Ich werde danach suchen.«
»Wir stellen einen Polizisten ab, der Ihnen bei der Suche behilflich ist«, sagte Bentz. Die kleine Nonne zog die Augenbrauen bis über den Rand ihrer Brille hoch – auch wenn es nicht ausgesprochen wurde, war ihr doch klar, dass der Detective in diesem Fall niemandem über den Weg traute, nicht einmal einer Frau, die vor vierzig Jahren ihr Leben Gott geweiht hatte.
Die Befragung der übrigen Nonnen ergab nicht viel Neues. Als Bentz und Montoya aufbrachen, waren die Forensiker auf dem Gelände immer noch bei der Arbeit. Bisher war nicht bekannt, wie der Täter die Klostermauern überwunden hatte. Die Tore waren verriegelt, und nirgendwo gab es Hinweise darauf, dass jemand sich Zutritt verschafft hatte.
Bentz blickte an der Mauer hinauf. Hinüberzuklettern war bestimmt nicht unmöglich, allerdings hatten sie bisher weder Abdrücke einer Leiter noch Fußspuren gefunden. Nun, es war ja noch früh.
So viel Glück konnte der Mörder gar nicht haben.
Jedenfalls nicht immer.
Früher oder später musste ihm ein Fehler unterlaufen.
Bentz konnte nur hoffen, dass bis dahin nicht ein weiterer Mensch sein Leben lassen musste.
»Eve, um Himmels willen! Was zum Teufel hat der denn hier zu suchen?«, wollte Kyle wissen und sah Cole an, als sei er der
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