Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
vermochte. Endlich ließ Deeds seine Hand los. Er musste behutsam vorgehen. Niemand durfte ahnen, was er im Schilde führte.
Deeds kniff skeptisch die Augen zusammen, als traute er Coles Sinneswandel nicht recht. »Nur damit wir uns verstehen: Derjenige, der Kajak umgebracht hat, ist entweder aus der Gegend verschwunden oder hält sich bedeckt.«
»Oder er ist tot.«
Deeds hob die Hand, um Cole zum Schweigen zu bringen. »Mag sein. Das spielt jetzt keine Rolle. Hauptsache, du bleibst sauber. Uns beiden ist klar, dass du nicht gerade der Liebling der Polizei von New Orleans bist, also arbeite ihnen nicht in die Hände. Und dann wäre da noch diese bewusste Kleinigkeit.«
Cole biss die Zähne zusammen, als er an das Vergehen dachte, das noch immer seinen guten Ruf beschmutzte. »Das hat mir jemand untergeschoben«, knurrte er verbissen. »Ich habe seit dem College kein Dope mehr geraucht.«
»Selbst wenn ich dir glauben würde – das Gras wurde nun einmal in deinem Handschuhfach gefunden, während du auf Kaution draußen warst.«
Coles Kiefermuskeln verkrampften sich noch stärker, und seine Finger umklammerten den Griff der Aktentasche so fest, dass die Knöchel weiß wurden. »Jemand hat am Rücklicht meines Jaguar rumgepfuscht, um dafür zu sorgen, dass die Polizei mich anhält. Und als ich die Papiere aus dem Handschuhfach nehmen wollte, fiel der Beutel mit Marihuana heraus. Wenn es
mein
Gras gewesen wäre – glaubst du etwa, dann wäre ich so unvorsichtig gewesen?«
»Hey, mich brauchst du nicht zu überzeugen. Aber immerhin muss ich mich jetzt mit der Angelegenheit herumschlagen. Dafür sorgen, dass der Eintrag aus deiner Akte verschwindet.«
Cole fluchte leise.
Deeds legte ihm eine Hand auf den Arm. »Schön, das Gras war also nicht deins. Jemand hat es dir untergeschoben. Okay, ich glaube dir. Aber du hast trotzdem gegen die Kautionsauflagen verstoßen. Du wusstest genau, dass du mit niemandem reden durftest, der in Verbindung mit dem Fall stand – und du hast es doch getan.«
Das konnte Cole allerdings nicht abstreiten. Er hatte versucht, Kontakt zu Eve aufzunehmen, und den Preis dafür gezahlt.
»Geh ihr aus dem Weg, Mann«, redete Deeds ihm zu. Dann senkte er die Stimme, als fürchtete er, der Junge, der auf seinem Skateboard über den Gehsteig raste, könnte ihr Gespräch belauschen. »Sie ist nicht gut für dich.« In diesem Moment klingelte Deeds’ Handy, und er löste den Clip von seinem Gürtel. »Deeds.« Pause. »Ach, zum Teufel. Ja, schon gut, ich bin unterwegs.« Er warf einen Blick auf die Uhr, formte mit den Lippen unhörbar die Worte: »Ich muss los«, und als Cole nickte, winkte er, stieg in seinen BMW , setzte das Headset auf und schaltete die Freisprechfunktion seines Handys ein, ehe er den Zündschlüssel drehte.
Während sich der schnittige Wagen entfernte, ging Cole ins Haus. Insgeheim wusste er, dass er sich nicht an Deeds’ Rat halten würde. Eine seiner ersten Handlungen als freier Mann sollte die Konfrontation mit Eve sein.
Zum Teufel mit den Konsequenzen.
Sie musste weiterfahren.
Durfte keine Zeit verlieren.
Eve ging zur Kasse und zückte ihr Portemonnaie. Sie wollte nicht darüber nachdenken, ob ihr Vater damals schuldig oder unschuldig gewesen war, sie wollte überhaupt nicht an den Prozess denken. Das war Schnee von gestern. Sie hatte sich allerdings gefragt, ob die »Beweise«, von denen Roy Kajak gesprochen hatte, im Zusammenhang mit Tracy Aliotas Tod standen, doch das zeigte nur, dass sie ihrem Vater, den sie doch zu lieben glaubte, nicht vollständig vertraute.
Nachdem sie ihre Rechnung bezahlt hatte, trat sie ins Freie. Der Himmel schien noch düsterer als vorhin. Violette Wolken zogen so tief, dass sie die Wipfel der dürren Kiefern am Rande des Parkplatzes zu berühren schienen, Regen prasselte auf den rissigen Asphalt. Geduckt lief Eve zu ihrem Wagen.
Samson schrie in seinem Transportkorb, und als sie ihn beruhigen wollte, bemerkte sie Wasser auf dem Beifahrersitz. Leise fluchend griff sie nach dem Handtuch, das sie für Notfälle im Wagen bereithielt. Seit ein paar Wochen schloss das Fenster nicht mehr ganz dicht. Kyle hatte es sich ein paarmal angesehen, aber es war ihm nicht gelungen, das verdammte Ding zu reparieren. Sie wischte die kleine Pfütze auf, lehnte sich über den Sitz und betätigte den Fensterheber. Der Elektromotor surrte, doch die Scheibe rührte sich nicht. Sie würde eben damit leben müssen. Wenn sie wieder zu Hause war,
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