Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
darstellen. Und neben ihm am Tisch sitzt ein gut gekleideter, rechtschaffen wirkender Cole Dennis, die gekränkte Unschuld in Person – der Chorknabe, dessen Freundin ihn mit einem Mann betrogen hat, dessen Namen sie nicht nennen kann oder will.« Yolinda stieß sich von der Fensterbank ab, ging zum Schreibtisch, nahm eine Akte aus dem obersten Korb und schob sie Eve zu. »Hier, der Laborbericht mit den Ergebnissen der DNA -Analyse. Deeds wird ihn als Beweis heranziehen. Der Nachweis des Spermas von zwei verschiedenen Männern in Ihrer Vagina. Dass es nicht Kajaks Sperma ist, hilft Ihnen auch nicht weiter, eher im Gegenteil. Dass Sie behaupten, nicht zu wissen, von wem es stammt, macht alles nur noch schlimmer.«
»Moment mal.« Eve erkannte, dass die Staatsanwältin sie bewusst provozierte, aber sie konnte es dennoch keine Sekunde länger ertragen. »Ich hab’s kapiert, worauf Sie hinauswollen. Aber ich habe seit zwei Jahren mit keinem anderen Mann als mit Cole geschlafen.«
»Wieso konnte dann fremdes Sperma nachgewiesen werden?«
»Ich weiß es nicht!« Eve schüttelte den Kopf. »Es … es muss passiert sein, als … als ich in der Hütte war.«
»Aber Sie haben Mr Dennis vor der Hütte gesehen. War da noch jemand in dem Zeitraum zwischen Ihrem Aufbruch von Mr Dennis’ Haus und Ihrer Ankunft in der Hütte, wo Sie sich mit Mr Kajak treffen wollten? Bevor Mr Dennis kam?«
»Nein.«
»War noch jemand dort?«
»Nein.«
»Wer war es, Ms Renner?«
»Da war niemand!«
»Geschah es, nachdem Mr Dennis, wie Sie behaupten, in der Hütte auf Sie geschossen hat?«
»Nein. Ich habe mit niemandem geschlafen!«
»Woher wissen Sie das, Ms Renner? Wenn Sie sich doch an nichts erinnern?«
»Dann … dann muss es hinterher gewesen sein …«
»Am Tatort? Oder im Krankenhaus? Als es in der Hütte von Polizisten nur so wimmelte oder während der Fahrt im Krankenwagen?«, schoss Yolinda ihre Fragen auf Eve ab. »Wollen Sie vielleicht behaupten, Sie hätten mit einem der Sanitäter Geschlechtsverkehr gehabt?«
Eves Augen brannten. »Ich sage die Wahrheit.«
Yolinda nickte. »Ihre Zeugenaussage ist unbrauchbar, Eve. Das ist Ihnen doch selbst klar, nicht wahr? Ich würde mich lächerlich machen, wenn ich meine Anklage darauf stützte.« Seufzend schloss die Staatsanwältin: »Damit sind wir hier fertig.«
Und Eve war so klug wie zuvor.
Der Alte war betrunken.
Also würde es nicht lange dauern.
Im Schatten des alten Spaliers im Garten neben dem Haus verborgen, sah der Retter auf seine Digitaluhr. Zwanzig Minuten waren vergangen, seit er ins Haus geschlüpft war, sein Werk verrichtet hatte und dann geräuschlos wieder hinausgegangen war. Sein Opfer, das im Fernsehzimmer gerade Radio gehört hatte, ahnte nichts von dem heimlichen Besucher.
Noch nicht.
Das würde sich bald ändern.
Alles lief wie am Schnürchen. Genau so, wie die Stimme Gottes es ihm eingegeben hatte.
Er sah durchs Fenster. In der Küche brannte jetzt Licht, die offene Flasche Jack Daniels stand in der Spüle und das Eiswürfeltablett auf dem Tresen. Die wenigen verbliebenen Würfel begannen zu schmelzen.
Diese Unordnung sah dem Doktor so gar nicht ähnlich.
Ts, ts,
dachte er und zückte das Handy.
Er tätigte den ersten Anruf. Lauschte, als sich der Mann meldete.
»Hallo.«
Der Retter antwortete nicht. Noch nicht. Er musste genau so vorgehen, wie Gott es ihm in der vergangenen Nacht im Traum befohlen hatte.
»Hallo?« Pause. »Verdammt, wer ist da? Hören Sie mich?« Wieder eine Pause. »Terry?«, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung ein wenig unsicher.
»Ich habe Beweise«, flüsterte der Retter mit heiserer Stimme.
»Was sagen Sie da?«
Er brauchte seine Worte nicht zu wiederholen. Der Mann hatte seine Botschaft sehr wohl verstanden.
Er legte auf.
Sein Blick wanderte am Haus hinauf, dann suchte er schnell die gewünschte Nummer im Speicher seines Handys und drückte erneut die Wähltaste.
Binnen Sekunden war die Verbindung hergestellt.
Es klingelte einmal.
Zweimal.
Dreimal.
»Hallo?« Die Stimme des alten Mannes klang barsch und laut. Im Hintergrund lief das Radio. »Augenblick mal. Wer ist da? Woher haben Sie … Scheiße!« Kurze Pause. »Sie rufen von meinem Handy aus an … aber … wie …?«
Der Retter lächelte, als der Mann leicht schwankend in der Küche auftauchte.
»Sie haben mein Handy!«
Seine Stimme klang empört. Und ein wenig schleppend.
Der Retter antwortete nicht.
»Hallo? Sind
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