Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Titel: Cry - Meine Rache Ist Dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ihn wieder erreichte, ihn erwählte und die anderen blechernen, lästigen Stimmen, die ihn heimsuchten, zum Schweigen brachte.
    Zärtlich hielt er das Kruzifix des Rosenkranzes zwischen Daumen und Zeigefinger, berührte das winzige Abbild Christi am Kreuz, und mit leiser Stimme, vom Knistern des Feuers fast übertönt, begann er zu beten.
    »Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn …«
    Sein Herzschlag beruhigte sich, die Schweißtropfen auf seiner Haut trockneten. Wie er es von klein auf gewohnt war, berührte er jede einzelne Perle, sprach jedes einzelne Gebet bis zum Ende. »Heilige Mutter Maria, bitte für uns, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.«
    Langsam erhob er sich. Sein nackter Körper war gereinigt, seine Seele reingewaschen, denn dieses Ritual war für ihn Beichte und Kommunion. Er brauchte keinen Priester, keinen Mittler zwischen sich und dem Vater im Himmel.
    Gott sprach zu ihm.
    Nachts.
    Wenn er allein war.
    Und er hatte ihm befohlen, sich zur steten Erinnerung an seine Mission zu zeichnen. Er öffnete seine kleine Schachtel und betrachtete die glänzenden Instrumente.
    Er nahm die Nadel heraus, füllte die Spritze mit blauer Tinte, schloss das Gerät ans Stromnetz an. Er betrachtete noch einmal seinen nackten, rasierten und gewachsten Körper in dem großen Spiegel, dann machte er sich an die Arbeit. Mit sorgfältigen Stichen tätowierte er die Zahl 101 in seine Haut. Die winzige Nadel bewegte sich rasch, über ein Fußpedal gesteuert. Er arbeitete präzise, setzte die Tätowierung an eine freie Stelle zwischen den anderen, die er bereits auf seinen Körper geschrieben hatte. Bei seinen Opfern musste er natürlich ein kleineres, batteriebetriebenes Gerät verwenden. An den Leichen arbeitete er schnell und grob. Doch bei sich selbst konnte er sich Zeit nehmen und jeden Buchstaben, jede Zahl perfekt ausführen. Exquisit.
    Der Schmerz war erregend, stimulierte ihn. Während er mit der Nadel arbeitete, musste er sich ungeheuer konzentrieren, um die aufsteigenden Phantasien von Sex und Schmerz abzuwehren, damit die Qualität seines Kunstwerks nicht litt. Er überarbeitete die Ziffern mehrmals, bis sie satt gefärbt waren, damit die Tätowierung unauslöschlich blieb.
    Die Zahl 101 in sein Fleisch tätowiert … zwischen den anderen, darunter auch Namen und die Zahl 212 .
    Allzu schnell war es vorüber, der sinnliche Schmerz endete abrupt.
    Er blies die Kerzen aus, löschte das Feuer mit Wasser, reinigte die Nadeln und Röhrchen, wickelte das Kabel auf und verstaute das Gerät wieder in der Schachtel. Nachdem er sie im Schreibtisch verwahrt hatte, faltete er die Plastikplane zusammen und räumte sie ebenfalls weg. Dann betrachtete er noch einmal sein Kunstwerk, versorgte es und legte sich aufs Bett. Auf eine Bettdecke verzichtete er.
    Für diese Nacht war sein Werk getan.
    Doch es war nicht das letzte Mal.
    Ebenso, wie es nicht das erste war.
    Manche hatte er rasch getötet, andere langsam. Er hatte ihre Seelen in den Himmel geschickt. Einmal hatte er sogar jemanden gerettet, aber nur ein einziges Mal, und das lag lange zurück … so lange. Heiße Tränen rannen aus seinen Augen.
    Jetzt aber, da das Morden wieder angefangen hatte, würde es weitergehen.
    Der Gedanke gefiel ihm.
    Das Warten war vorbei.
    Er schloss die Augen, und bald kamen die Stimmen, kleine, plappernde, nervtötende, verzerrte Gesprächsfetzen, die wie Fledermäuse durch seinen Kopf schwirrten.
    Weg mit euch,
dachte er.
Lasst mich in Ruhe … Lasst mich einzig die Stimme Gottes hören … Lasst die Stimme des Vaters mich finden …
    Aber es sollte nicht sein.
    Gequält lag er da, die Muskeln verkrampft, die Hände zu Fäusten geballt. Wieder stiegen ihm Tränen in die Augen, Tränen der Hilflosigkeit, und er biss sich so heftig auf die Lippe, dass es blutete. Beinahe hätte er laut geschrien. Er wusste, dass ihm eine dieser langen, grauenvollen Nächte bevorstand. Nächte, in denen selbst der Schlaf ihm keinen Frieden brachte, sondern nur ein rasender Sturm entsetzlicher Alpträume ihn erwartete.
     
    Eves Handy klingelte laut.
    Sie schlug die Augen auf.
    Wo bin ich? Was … was klingelt da? … Das Telefon? Wo ist es?
    Sekundenlang war Eve orientierungslos. Das Zimmer kam ihr unbekannt vor. Sie setzte sich im Bett auf.
    Samson fauchte erschrocken und machte einen Buckel. Dann sprang er hastig von der Bettdecke und versteckte sich

Weitere Kostenlose Bücher