Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
unwillkürlich den Kopf. Sie war und blieb ihm ein Rätsel. Olivia Benchet Bentz war eine schöne Frau und ebenso klug wie geheimnisvoll. Er verstand ihre esoterische Ader zwar nicht ganz, aber sie war das Beste, was ihm hatte passieren können. Obwohl sie einen streitsüchtigen Köter namens Harry S. und einen Papagei mit in die Ehe gebracht hatte.
»Ich stehe nicht so auf Gumbo«, wandte Kristi ein, während sie die Straße überquerten.
»Keine Sorge, die haben bestimmt auch etwas, was du magst.«
»Du weißt doch gar nicht, was ich mag.«
»Tofu und Bohnen, wenn ich mich nicht irre?«
»Sehr witzig.«
Er lachte und hielt ihr die Tür auf. Drinnen schlug ihnen der würzige Duft scharfer Cajun-Gerichte entgegen. Die Sitznischen waren aus dunklem Holz mit steifen Lehnen und dünnen Polstern.
Sie teilten sich eine Portion frittierte Garnelen und Langusten mit Pommes frites. Anschließend, beim süßen Tee, versuchte Kristi ihren Vater zu überreden, er solle sie mit Informationen über die Ermittlungen im Fall Renner versorgen. Doch Bentz ließ sich auf nichts ein.
»Daraus wird nichts«, sagte er.
»Und wie wäre es stattdessen mit einem bereits gelösten Fall?« Er zog schweigend ein Pommes-Stäbchen durch einen Ketchupklecks. »Was könnte das schaden? Ich werde darauf achten, die Tatsachen korrekt darzustellen und allen gerecht zu werden und …«
»Warum?«, fiel er ihr ins Wort, mit einem Blick, der auch den hartnäckigsten Streithahn in seine Schranken verwiesen hätte.
»Das habe ich dir doch schon erklärt.«
»Nein, ich meine,
warum
willst du dich nach allem, was du durchgemacht hast, noch mit solchem Mist beschäftigen?«
»Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund wie du.«
Er runzelte die Stirn, schob das Körbchen mit den restlichen Garnelen zur Seite und beugte sich über den Tisch vor. »Und was ist mit dem Spinner, der sich der Auserwählte nannte, hm? Erinnerst du dich?« Wenn er an die Angst zurückdachte, die er ausgestanden hatte in den Stunden, als Kristi und Olivia in der Gewalt des Verbrechers waren, wurde ihm noch immer kalt bis ins Mark.
»Das ist vorbei, Dad«, sagte sie, doch er nahm es ihr nicht ab. Ein derartig traumatisches Erlebnis war nie wirklich vorbei, nie vergessen.
Sie leerten das Körbchen, und Bentz zahlte.
»Ich möchte es aber tun, für mich«, sagte sie auf dem Weg zur Tür. »Ich dachte, du würdest begeistert sein.«
Bentz musterte seine Tochter skeptisch. Gerade als sie die Straße überqueren wollte, hörte er das Dröhnen eines Motors und sah aus den Augenwinkeln Chrom blitzen. Instinktiv packte er Kristi am Arm und riss sie zurück auf den Gehsteig. Ein Motorrad raste um die Ecke, schleuderte über den Fußgängerüberweg und wäre beinahe gestürzt.
»Heilige Scheiße!«, stieß Kristi mit weit aufgerissenen Augen hervor.
Bentz sah dem Motorrad wütend nach, konnte das Kennzeichen aber nicht lesen. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper war gespannt. Er bemerkte, dass er immer noch den Arm seiner Tochter umklammerte, und löste seinen Griff. »Entschuldige.«
»Nein … Schon gut«, sagte sie, immer noch unter Schock. »Ich hatte ihn auch bemerkt, aber ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass er abbiegen würde.«
»Ich eigentlich auch nicht, aber man kann nie wissen.« Er fasste noch einmal Kristis Arm und drückte ihn. »Ich konnte kein Risiko eingehen.«
»Okay, Dad. Ich hab’s begriffen. Du hast mir deinen Standpunkt klargemacht. Aber ich werde trotz allem einen Roman über einen realen Fall schreiben, und es wird wahrscheinlich einer von deinen Fällen sein, also …« – sie strahlte ihn an – »… musst du dir überlegen, wie du damit umgehen willst.«
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14.
E ve stand hinter der Scheibe und sah zu, wie das Laken zurückgezogen wurde. Ihr Vater lag mit bleicher Haut und geschlossenen Augen auf der Bahre. Sie dachte an all das, was sie ihm noch hätte sagen wollen und wofür es jetzt zu spät war. Früher einmal hatten sie einander sehr nahegestanden, damals, als sie ein kleines Mädchen war und ihre Mutter noch lebte. Nach Melody Renners Tod hatten sie sich entfremdet.
Und dann war da noch Tracy Aliota gewesen, ein Mädchen, das unter der Obhut ihres Vaters gestanden hatte, ein Mädchen, das wie Eve rebellierte, dabei jedoch zu weit ging, das den Kampf um seine geistige Gesundheit und schließlich sein Leben verloren hatte. Zwar kam es nicht zu einem Strafprozess, doch die Familie des Mädchens hatte gegen Terrence
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