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Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Titel: Cry - Meine Rache Ist Dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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alten Kirche stand und sich klein vorkam angesichts der drei weißen Türme, die in den sommerlich wolkenlosen Himmel aufragten. Pferdekutschen rumpelten vorbei, die großen Räder drehten sich, die Hufe klapperten auf dem Kopfsteinpflaster. Menschen strömten aus der Kathedrale und über den Jackson Square.
    Seine Mutter ertappte ihn dabei, dass er ein Mädchen mit Lockenkopf anstarrte. Das Mädchen, das etwa in seinem Alter war und ein gelbes Sommerkleid sowie farblich dazu passende Haarschleifen trug, überquerte mit seiner Mutter den Platz und blieb vor der Statue von Andrew Jackson auf seinem steigenden Pferd kurz stehen, um ihn über die Schulter hinweg anzusehen und zu lächeln. Ihre braunen Locken wippten.
    Seine Mutter hatte den Blick aufgefangen und in den unschuldigen braunen Augen des Mädchens das schiere Böse erkannt.
    »Halte dich von ihr fern«, sagte seine Mutter und drehte ihn zu sich um. Sie zitterte vor Wut am ganzen Körper. »Sie ist eine von denen.« Ihre Stimme zischte in seinem Ohr, und er roch den Duft des Parfüms, das sie immer benutzte, einen schweren, süßlichen Duft, an den er sich noch nach Jahrzehnten erinnerte.
    »Hörst du, mein Sohn? Dieses Mädchen würde dich dazu bringen, ekelhafte, hässliche Dinge tun zu wollen, die dich auf den Pfad geradewegs in die tiefste Hölle führen. Sie sind alle sündig. Oh, ich weiß, sie sehen hübsch und unschuldig aus. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Aber sie sind alle gleich. Niemals, mein Sohn, hörst du,
niemals
darfst du ihnen trauen. Sie sind alle wie Eva mit dem Apfel im Paradies. Aus der Erbsünde geboren. Hast du mich verstanden? Fasse sie niemals, niemals an.« Mama hatte sich dabei dicht vor ihn gestellt und einen kalten Schatten über ihn geworfen. Sie beugte sich ein wenig zu ihm herunter und sah ihn durch den schwarzen Spitzenschleier an ihrem Hut mit harten, starren Augen böse an. Die Pupillen waren klein wie Stecknadelköpfe in der blassblauen Iris. »Mädchen wie dieses sind Heiden, mein Lieber. Töchter Luzifers. Hörst du?« Sie verzog die glänzend roten Lippen zu einem verkrampften Lächeln. Dabei gruben sich ihre Finger tief in seinen Arm, die spitzen lackierten Nägel ritzten seine Haut beinahe bis aufs Blut und hinterließen schmerzhafte weiße Halbmonde.
    »J-ja, Mama«, sagte er beschämt.
    »Gut.« Sie schob ihn weiter in die entgegengesetzte Richtung, auf die weißen, dräuenden Mauern der St. Louis Cathedral zu. Das Mädchen wandte sich ab. Die Glocken läuteten, Leute gingen umher und unterhielten sich, an einer Straßenecke zwei Blocks entfernt ertönte klagend ein Saxophon. Die sengende Augustsonne stand hoch am Himmel.
    »Vergiss es nie.«
Mama straffte sich, rückte mit einer Hand ihren Hut zurecht und vergewisserte sich, dass der Halbschleier ihre Augen bedeckte, bevor sie ihn durch das gähnende Portal in die Kathedrale schob.
    Jetzt, Jahre später, empfand er in seinem Innern wieder die gleiche brennend heiße Scham. Wegen Eve. Immer wegen Eve.
    Es drängte ihn schier unwiderstehlich, sie noch einmal anzurufen, sie zu warnen … zu erinnern … damit das eisige Grauen ihre liederliche Seele kühlte.
    Alles zu seiner Zeit, sagte er sich und ging zurück zu der unauffälligen silbernen Limousine, die er drei Häuserblocks entfernt abgestellt hatte. Alles zu seiner Zeit.
    Er musste sich genau an den Plan halten.
    Eve war tabu. Eine abscheuliche Sünde, und doch konnte er sich seiner Lust nicht erwehren. Trotzdem, so gern er auch gesehen hätte, wie sie sich unter ihm wand, in Hitze, die Beine um seinen Brustkorb geschlungen – vielleicht würde es nie dazu kommen. Aber, dachte er, biss einen weiteren Fingernagel ab und spuckte ihn in die Gosse, eines wusste er mit absoluter Sicherheit: Er und Eve würden zusammen sterben.
    Dafür würde er sorgen.
    Es war ihr gemeinsames Schicksal.
     
    Montoya steckte sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug, zerknüllte die Marlboroschachtel in der Hand und warf sie auf dem Weg ins Revier in den Müll. Er hatte das Päckchen am Vorabend in einem Mini-Markt gekauft und drei Zigaretten geraucht, diese mitgezählt. Seine letzte.
    Wenigstens vorerst.
    Doch der Fall Renner ging ihm auf eine Weise unter die Haut, bei der nur noch Nikotin half.
    Auf der Treppe blieb er stehen und inhalierte noch einmal tief.
    »Hey, ich dachte, du hast aufgehört.«
    Brinkman, das größte Arschloch unter den Lebenden, kam vom Parkplatz her auf ihn zu. Als Detective war Brinkman

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