Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
sie dir das Pferd unterm Hintern weg. Zu Fuß kommst du ganz gewiss nicht weit …«
»Oh, aber genau das hab ich vor. Genauer gesagt, wir beide, Hochwürden.«
Glaub mir, dachte Artur betrübt, während er den Hals der zitternden Stute umschlang, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass jetzt ein anständiger Mensch vorbeikommt. Dem würde ich dich sogar umsonst überlassen, falls du mir das nicht übel nehmen würdest. Denn in einem Punkt hat dieser Kirchenmann recht: Ich würde dich wieder in einen Kugelhagel reinziehen, und das wäre dein Ende. Hoffen wir also auf einen anständigen Menschen. Nur wo findest du den hier …? «
(31)
BIKER WIDER WILLEN
Wie vermutet, stand um die Ecke ein völlig heruntergekommener Geländewagen der Armee. Artur konnte nicht mal mehr die Marke erkennen, meinte aber, der Jeep sei erst kürzlich zusammengeschraubt worden. Hinter ihm parkten, die Schalldämpfer gespreizt wie Elsternschwänze, zwei Sportmotorräder. Kowal warf die Satteltaschen, seinen Rucksack und alle noch brauchbaren Waffen in den Wagen. Anschließend verfrachtete er Karim auf den Rücksitz und breitete eine Decke über ihm aus. Hochwürden bot einen gotterbärmlichen Anblick, der Schweiß lief ihm in großen Tropfen übers Gesicht, die ohnehin ungesunde Haut war noch fahler geworden. Kowal fragte sich sogar, ob er richtig handle, wenn er dieses Häufchen Elend mit sich schleppe.
Als Nächstes folgte wahre Knochenarbeit. Vor Anstrengung stöhnend wuchtete Artur die schwere zweizylindrige Yamaha über die Hinterklappe in den Wagen. Das Modell kannte er nicht, einige Details ließen außerdem vermuten, dass die Maschine erst vom Band gegangen war, nachdem er eingeschlafen war. Immerhin hatten die Banditen ihm einen vollen Tank hinterlassen. Als er ihn jedoch öffnete, konnte er sich nur wundern, dass der Motor noch nicht abgeschmiert war. Ohne Frage hatte sich in Moskau ein kluger Kopf gefunden, der die Benzinproduktion wieder angeleiert hatte, aber bis zur Herstellung von Brennstoff der erforderlichen Qualität war es noch ein langer Weg. Und die Motoren überholte heute garantiert niemand.
Er fand weder die Batterie noch die Zündschlüssel, entdeckte dafür aber eine Art Griff, der an einem Seil aus der Verkleidung baumelte, fast wie bei einem Bootsmotor. Beim vierten Versuch ruckte der Jeep, spie eine schwarze Ölwolke aus, schickte aus allen Ritzen Abgase und informierte mit dem Rattern und Heulen der Lüftung alle umgrenzenden Häuser über den Beginn einer Rallye. Es fanden sich sogar Zuschauer für Arturs Fahrt: zwei Jungen von etwa zwölf Jahren. Er begegnete ihnen in der dritten Gasse, in die er einbog, weil er hoffte, sie biete gleichmäßigeren Asphalt. Doch während Artur mit der Kupplung kämpfte, befeuerten ihn die beiden Knirpse mit Apfelresten und deftigen Flüchen.
Als er in die Nowaja Basmannaja einbog, hatte er sich jedoch bereits an das Ding gewöhnt und konnte die Schlaglöcher umfahren, ohne dabei groß das Tempo zu drosseln. Diese Straße musste von strategischer Bedeutung sein, denn über dem Kopfsteinpflaster lagen in drei Schichten riesige Balken, die mit Haken und Draht gesichert waren, sodass Artur es wagte, in den dritten Gang hochzuschalten. Die Stute trabte brav hinter ihm her. Auf dem durchlöcherten Beifahrersitz zischte der Fleder grimmig in Arturs Rucksack, denn sein Herrchen hatte ihm nur erlaubt, den Chef der Bande, der ohnehin dem Tod geweiht war, zu beißen. Karim klapperte zwar vor Angst mit den Zähnen, belästigte ihn aber nicht mit Kommentaren.
An der Stelle, wo früher der Baumanngarten gelegen hatte, wurden im Schein von Lagerfeuern Bäume gefällt, denen sofort die Äste abgehauen wurden, damit sie zur Straße geschleift werden konnten. An der Metrostation verengte sich die Fahrbahn. Sie war relativ frisch gepflastert, in Tonnen verbrannte mit heller Flamme Masut, in riesigen Töpfen wurden Hammelrippen gekocht. Ein dicker Mann im Regenmantel und mit einem gelben Helm auf dem Kopf beaufsichtigte die Arbeiten, wobei er selbst unter einer Kunststoffmarkise stand, gewärmt von einem tragbaren elektrischen Heizgerät und in Gesellschaft fluchender Poliere. Artur fuhr vorsichtig an ihm vorbei, doch auf ihn achtete sowieso niemand. Nicht bei dem edlen Pferd in seiner Begleitung …
Je weiter er sich der Ringstraße näherte, desto menschenleerer wurden die Straßen. Soldaten und Handwerker wohnten in der Regel in der Nähe des Zentrums, die zivilen Angehörigen
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