Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Links versperrten ausgebrannte Bahnhofsgebäude, umgekippte Waggons und Eisenbahnkräne den Weg, rechts das endlose Meer schmelzenden Schnees, aus dem wie letzte Zeugen einstiger Attraktionen verbogene Schienen herausragten. Die einzige schmale Fahrspur mündete dagegen direkt in eine Absperrung. Die Stute könnte sich zwar seitlich an ihr vorbeiquetschen, nicht aber der Jeep. Kowal hatte sich selbst in eine Sackgasse manövriert.
Von hinten sprengten bereits drei Reiter auf ihn zu. Von dem ersten trennten ihn nur noch dreihundert Meter – und es gab nichts, wohin er hätte ausweichen können. Nach der Auseinandersetzung mit den Banditen vorhin verspürte er jedoch keinen Wunsch nach einer neuerlichen Schlägerei.
»Ich bin nicht beim Gottesdienst gewesen …«, stieß Karim mit dumpfer Stimme aus. »Deshalb sucht man mich. Das ist eine Patrouille der Sicherheit. Wenn du mich freilässt, verspreche ich dir, dass dir kein Haar gekrümmt wird. Du kommst unbescholten davon.«
»Wenn die Schießerei losgeht, komm ja nicht auf die Idee, deine Nase in den Kugelhagel zu halten, Hochwürden«, sagte Artur und stieg aus. Er stöberte in dem Sack und legte drei Pflastersteine auf die Motorhaube. Mit dem Hengst hatte er auch den besten und größten Teil seiner Ausrüstung verloren. Die kleine Armbrust und der Bogen waren ebenso auf dem Markt geblieben wie die beiden Bumerangs und einige Kampfstöcke in der Art der Nunchaku. »Hättest du mich auf dem Markt gehen lassen, könntest du inzwischen längst wieder dein Weihrauchfässchen schwenken.«
»Ich verstehe nicht, was du eigentlich …«
»Dann halt am besten den Mund.«
Jetzt wurde es höchste Zeit, die drei Reiter mit MG s auf Abstand zu halten. Er lockerte die Hand und ließ die Schleuder gleichmäßig überm Kopf kreisen.
Der erste Reiter, ein junger Sergeant, grübelte im Grunde immer noch, warum er hier durch die Straßen preschte. Vor einer Stunde war sein Hauptmann zu seinem Vorgesetzten zitiert worden, daraufhin hatte er allgemeinen Alarm ausgelöst und befohlen, die Straßen zu durchkämmen. Sie sollten einen gefährlichen Zauberer finden, der aus dem Kerker der Basilius-Kathedrale geflohen sei. Aber damit nicht genug. Der Zauberer habe auch noch den Obergeistlichen und Angehörigen des Kleinen Kreises mit dunklen Zaubern verwirrt und entführt. Das ist doch blanker Unsinn, dachte der Sergeant, während er sein Pferd antrieb. Wer fällt denn auf so ein Märchen rein?
Wie dieser Zauberer aussah, wusste natürlich auch niemand. Die einen sagten, er habe Flügel wie ein Feuerdrache und außerdem eine einen Meter lange gespaltene Zunge. Andere dagegen versicherten, er unterscheide sich rein äußerlich durch nichts von einem gewöhnlichen Menschen, habe aber gestern Morgen einem Mann auf dem Markt mir nichts, dir nichts den Kopf abgebissen. Es war auch nicht klar, wo man den Kerl überhaupt suchen sollte, aber man schickte vorsichtshalber auch Boten in die Garnisonen, zu denen es noch keine Telefonverbindung gab. Das Kommando bei dieser Aktion hatten Kremloffiziere.
Der kupfergesichtige Mann in dem Jeep mit der Stute im Schlepptau hatte den Befehl anzuhalten glatt ignoriert. Dann war er allerdings in eine Sackgasse eingebogen. Jetzt stand er neben dem Wagen, bis zu den Knöcheln im Eiswasser versunken, und ließ irgendwas über seinem Kopf kreisen. Mit einem Mal schien er auszurutschen – nur dass schon in der nächsten Sekunde etwas Großes und Schweres den Sergeanten mit voller Wucht am linken Auge traf und ihn aus dem Sattel holte. Das Pferd trabte zunächst einfach weiter, verlangsamte dann aber die Gangart und blieb schließlich ratlos stehen. Der Soldat hinter dem Sergeanten gehörte eigentlich zu den Cowboys, wusste also, was eine Schleuder ist, bemerkte den zweiten Angriff jedoch zu spät. Er hatte etwas mehr Glück, denn der Stein traf ihn an der Stirn, sodass der Aufprall von der Fellmütze abgemildert wurde und sein Knock-out nur vorübergehend war. Der dritte Angehörige dieser Jagdgesellschaft lag hundert Meter hinter den beiden ersten zurück und feuerte noch ein paarmal verzweifelt, drehte dann aber ab, vermutlich, um Hilfe zu holen.
Artur zog die Decke von Karim. Hochwürden hatte starkes Fieber. In den drei Jahren im Wald war Artur selbstverständlich kein herausragender Mediziner geworden, an denen es bei den Wippern allerdings auch gar keinen Bedarf gab: Die einzigen Patienten im Dorf waren er und Nadja, die im ersten Winter zweimal
Weitere Kostenlose Bücher