Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
Vom Netzwerk:
erkältet gewesen war. Die Wipper selbst heilten sich nicht, sondern lauschten notfalls auf ihren Organismus und brachten ihn in Einklang mit dem Atem der Erde. Das war eine angeborene Fähigkeit, und die Wipper hatten gar nicht erst versucht, sie Artur beizubringen. Stattdessen hatten sie ihm ein Dutzend Fläschchen mitgegeben, für alle Wechselfälle, die das Leben bereithielt.
    »Trink das!«, verlangte Artur. Er musste Hochwürden fast zwingen, den Mund zu öffnen. »Keine Angst, das ist ein Kräutermittel. Es wird deiner Leber guttun … Und jetzt trink das, das ist zur Stärkung.«
    Nach diesen Worten holte er das nötigste Gepäck aus dem Jeep. Von der Ersatzkleidung, dem Proviant, vor allem aber von der Stute würde er sich nun trennen müssen, denn das beste Pferd hielt nicht lange mit einem Motorrad mit. Dann wandte er sich wieder an Karim. »Ich werde dich mit dem Gürtel anschnallen. Aber komm ja nicht auf die Idee, mich … anzufassen.«
    »Du bist wahnsinnig … Ganz Moskau sucht uns …«
    Die Yamaha sprang problemlos an, er fuhr drei Kreise – und brauste davon. In einem Zylinder bliesen die Ventile ihren eigenen Trauermarsch, der andere rauchte entsetzlich, die Kupplung reagierte mit Verzögerung, aber insgesamt gehorchte dieses prähistorische Wunder dem Fahrer. Die einzige Möglichkeit, die Geschwindigkeit zu regulieren, war die Handbremse, aber das genügte Artur völlig. Ein wonniges Kribbeln durchlief ihn …
    Sein Körper erinnerte sich an alles. Vor vier Jahren – nein, vor einhundertundvierundzwanzig Jahren – hatte er sich geschworen, nie wieder ein Motorrad zu besteigen. Damals ertrug er nicht mal den Anblick dieser Dinger. Okay, das war albern gewesen, denn eigentlich wusste er nur zu genau, dass die alte Harley keine Schuld an dem Unglück traf. Doch gerade weil er keinen Sündenbock finden, seine Wut an niemandem auslassen konnte, hatte er für den besten Freund seiner Kindheit irgendwann nur noch Hass übrig gehabt. Sein Vater hatte ihm noch zu Schulzeiten eine tschechische Jawa gekauft, nach dem Studium hatte Artur selbst alles Geld für eine Honda gespart. Zwei Jahre war er mit ihr durch die Gegend gekurvt, bis er schließlich das Chrom poliert und die Maschine für den dreifachen Preis an irgendwelche Typen aus dem Bikerklub vertickt hatte. Damals hatte eine unglaubliche Inflation das Land geschüttelt, und der Aspirant brauchte einen Computer …
    Als er nun davonschoss, fürchtete er, sein Organismus würde panisch auf diese Fortbewegungsart reagieren, die in seinem Inneren verschlossenen Erinnerungen ihn überwältigen – aber weit gefehlt. Sein Körper entspannte sich im Temporausch, er genoss das halb vergessene Gefühl dahinzurasen. Ein Pferd war eben doch etwas anderes. Ein Pferd, das ist ein Begleiter und Kumpel, manchmal sogar ein Freund. Aber wenn das Benzin unter deinem Hintern schneller verbrennt, als dein Herz schlägt, wenn du auf zweihundert Kilo Eisen sitzt, die sich auf eine Bewegung deiner Hand hin aufs Hinterrad stellen …
    »Du kommst hier nie lebend raus!«, jammerte Karim hinter ihm. »An allen Toren stehen Männer mit MG s!«
    »Ich weiß«, erwiderte Artur, gab Gas und testete die Bremsen. »Darum fahren wir erst mal nach Süden. Wär doch gelacht, wenn wir nicht über die Warschawski- oder die Kaschirski-Straße rauskämen. Zusammen mit den Karawanen.«
    »Der General der Sicherheit hat hundert Soldaten mit Motorrädern!«
    »Fahren die seit ihrem dreizehnten Lebensjahr auf diesen Dingern?!«, giftete Kowal. »Waren die im Motorradklub und bei Bikertreffen?!« Er trat die Kupplung. Sofort spritzte Wasser auf. Er raste in die entgegengesetzte Richtung zurück, eine Kehrtwende, die die Stute nicht mehr mitmachte.
    Artur fuhr nun offen in südlicher Richtung davon. Da er an den Straßenverlauf im Zentrum nur vage Erinnerungen hatte, ging er auf Nummer sicher und nahm die obere Ringstraße, den Sadowoje Kolzo. Sie musste früher gerammelt voll von Barrikaden gewesen sein, inzwischen hatte man aber den größten Teil weggeräumt und Durchgänge geschaffen. Von den Panzern, die hier vor hundert Jahren langgebrettert waren, zeugten noch Skelette am Straßenrand, die mittlerweile von neuen Bewohnern tüchtig benagt worden waren.
    Einige dahinzuckelnde Wagen verlangten Artur komplizierte Manöver ab. Als er einmal so in die Kurve ging, dass die Maschine fast parallel zum Boden lag, winselte Karim ängstlich. Die größte Panik jagte ihm allerdings der Fleder

Weitere Kostenlose Bücher