Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
verläuft, muss man danach der Sterilisiertrommel unter dem Schaltpult Vitamine in Pulverform entnehmen, Instruktionen liegen bei. Der Mann wird sie dringend brauchen. Sollte … sollte Artur all das überlebt haben, wäre die Arbeit unseres Instituts nicht umsonst gewesen. Aber auch das werden Sie nicht verstehen …
Artur! Ich bin an dir schuldig geworden. Zutiefst schuldig.
Du wirst dich noch erinnern, dass wir alle dagegen waren, dich für zwanzig Jahre in Schlaf zu versetzen. Wir, damit meine ich den Wissenschaftlichen Rat und das ganze Institut. Wir alle haben uns gegen diesen wahnsinnigen Plan ausgesprochen. Ich selbst hätte mich wegen einer Frau nie zu einem solchen Schritt durchgerungen. Ich habe versucht, an deiner Situation Anteil zu nehmen und dir einen anderen Weg aufzuzeigen. Schließlich hattest du dir nichts vorzuwerfen, denn du hast alles für sie getan, was in deinen Kräften stand, hast nach der Arbeit hier noch einen zweiten Job angetreten, hast Übersetzungen mit nach Hause genommen. Ich wiederhole es noch einmal: Dich trifft an alldem keine Schuld, mein Junge. Ich bin nicht dein Vater, aber dennoch wirst du mir meine Worte wohl verzeihen, denn zu dir spricht ein Mann, der mit einem Bein im Grab steht. Ich erinnere mich noch daran, wie ihr beide, du und deine Freundin, jeweils als Studenten gewesen seid. In der Jugend will man alles vom Leben, ich war da nicht anders. Aber für den Fall, dass du aufwachst und noch andere Menschen leben, lass dir eins gesagt sein: Die Familie ist ein Hafen, nicht der Ozean, auch wenn ein Ozean ohne Frage weit mehr Reize bietet …
Im Rat hat es, wie gesagt, viele Schwierigkeiten gegeben. Niemand wollte glauben, dass sich ein Mann freiwillig für zwanzig Jahre in eine dieser Kapseln legt. Es wurde dir nie offiziell mitgeteilt, aber es sind zwei psychiatrische Gutachten zu deiner Person unter dem Vorwand angefertigt worden, es werde eine Personalumfrage durchgeführt. Jeder hat versucht dahinterzukommen, warum du dich zu diesem Schritt entschlossen hast, aber niemand hat den Grund herausgefunden. Wie weit es doch mit uns gekommen ist, wenn wir uns nicht einmal mehr vorstellen können, dass sich jemand für andere opfert! Wenn du mich fragst, besteht genau darin unser ganzes Unglück. Diejenigen, die alle Entscheidungen für uns treffen, glauben nicht an Opferbereitschaft. Was daran liegt, dass sie fürchten, wir könnten sie eines Tages von ihnen einklagen. Dem müssen sie selbstverständlich von vornherein einen Riegel vorschieben. Denn das Einzige, woran sie glauben, sind die eigenen vollen Taschen …
Deshalb, Artur, bitte ich dich, mir zu verzeihen. Ich habe mich an dir schuldig gemacht. Genau wie an Tolik, Alik und all den anderen. Niemand hätte je sein Einverständnis zu einem solchen Experiment gegeben …
All die Jahre hindurch haben wir deinen Zustand täglich kontrolliert. Wir haben deinen Schreibtisch und deinen Spind nicht angerührt. Trotzdem bin ich an dir schuldig geworden. Aber vielleicht wirst du mir ja auch danken, wenn du aufwachst. Denn vor einer Woche habe ich deine Kapsel neu programmiert. Nachdem Lena Krassowezkaja gestorben war. Nachdem klar geworden ist, dass sie sich infiziert und uns alle angesteckt hat. Bis auf mich weiß nur Tolik Denissow davon. Er ist jetzt nicht mehr der Tolik, mit dem du einst zusammen studiert hast. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass du in dem dicken Glatzkopf und zweifachen Vater deinen alten Freund gar nicht wiedererkennen würdest. Es sind neunzehn Jahre vergangen. Denissow hat uns vor einigen Jahren verlassen, um an einem militärischen Institut zu unterrichten, ist aber in diesem Monat zu uns zurückgekehrt. Ein anderes Zuhause hat er nicht mehr. Tolik hat seine ganze Familie und die Freunde aus der Uni beerdigt. Er ist mit einem kleinen Hund auf den Armen zu mir gekommen. Uns werden wohl nur die Hunde und die Katzen überleben …
Denissow hat mir sehr geholfen. Offen gestanden habe ich mit dem Gedanken gespielt, mich selbst für zwanzig Jahre in eine Kapsel zu legen. Warum das verheimlichen, schließlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Und wer weiß, vielleicht haben unsere amerikanischen Freunde in zwanzig Jahren den rettenden Impfstoff ja entdeckt? Aber nein, das ist Unsinn. Denn es wird niemanden mehr geben, der noch nach irgendeinem Mittel forschen könnte. Für die USA läuft die Zeit nämlich auch ab. Außerdem würde mein Herz bei einer solchen Sache nicht mitmachen. Denissow hat die
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