Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Schlange kroch sie dahin und zerquetschte alles, was ihr in die Quere kam. Niemand bekam auch nur ansatzweise mit, was mit dem Schützen geschah. Eine Minute später sahen dann freilich alle, wie die Truppen der Röchler Hals über Kopf zum Wald flohen.
Damit waren die Verhandlungen beendet. Als Abaschidze sich umwandte, blickten ihn durch die Schießscharten Hunderte von weit aufgerissenen Augenpaaren an.
»Schmied!«, presste Arina kaum hörbar heraus. Sie konnte die Szene draußen nicht verfolgen, denn sie lag auf ihrer Liege, das spitze Gesicht zur niedrigen Decke hochgedreht. »Schmied, die wollen dich.«
»Mich?!«
»Dich und unsere Mütter. Sie teilen mir mit, dass sie dir Nadja van Gogh, Verpflegung und ein eigenes Haus in ihrem Dorf angeboten haben. Stimmt das?«
»Ja, Herrin …«
»Sie behaupten, dass du abgelehnt hast. Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Ich weiß nicht«, druckste Kowal. »Ich hatte Angst, dass mich dann alle verdächtigen … In dem Sinne, dass ich früher oder später abhauen würde.«
»Lüg mich nicht an!« Arinas heiseres Lachen ging nahtlos in Husten über. »Wenn du dich einverstanden erklärt hättest, dann hätten wir eine Mutter verloren. Nun aber verlieren wir alle. Das Komischste an der Sache ist, dass sie dafür bezahlen. Heilige Xenia, Friede ihrer Asche! Dass ich eine Karawane nicht bis nach Moskau gebracht habe … so etwas hat es noch nie gegeben.«
Sergo kam zu ihnen in den Panzerwagen geklettert. Der Mann war das reinste Bild des Jammers.
»Sie verlangen, dass der Wipper freigelassen wird, Herrin.«
»Das musst du entscheiden«, erklärte Arina.
Der Arzt wuselte schon wieder um sie herum und wollte die Verbände wechseln. Die Mütter wurden aus ihrem Abteil geholt. Als sie eng aneinandergeschmiegt vor ihm standen, fing Artur den Blick von Nadja van Gogh auf. Endlich konnte er sie in Ruhe betrachten, ohne dass jemand es wagen würde, ihm zu unterstellen, er hätte diese Begegnung absichtlich herbeigeführt. Die Frauen wirkten im Grunde längst nicht so verängstigt wie die Soldaten. Klar, dachte Artur, sie sind schließlich daran gewöhnt, dass man sie auf Händen trägt. Und wie auch immer diese Sache ausgeht, niemand wird sie je wie gewöhnliche Gefangene behandeln. Für sie ist bis ins hohe Alter gesorgt, selbst bei diesen Wilden. Nadja kaute auf der Unterlippe und starrte ihrerseits Kowal an. Sie trug zwar nur ein einfaches Kleid aus grobem Stoff, doch Artur wusste, dass jede dieser vier Frauen einige Truhen bekam, die ihre Mitgift enthielten. Und in Moskau gab’s noch fast ein halbes Kilo Gold in Form von Schmuck extra.
»Darüber hinaus verlangen sie, dass Artur Schmied und alle Mütter herausgegeben werden«, berichtete Sergo weiter. »Andernfalls lassen sie uns nicht ziehen.«
»Und, Sergo? Was hast du ihnen daraufhin gesagt?«
»Dass wir den Wipper umbringen, wenn sie uns nicht ziehen lassen. Da haben sie mir aber erwidert …« Er seufzte schwer. »Sie haben gesagt, dass ich ihnen nicht mit dem Tod drohen könnte, weil ich selbst noch nicht gestorben bin.«
Kowal schnaubte bloß. Abaschidze schielte zu ihm hinüber und fuhr dann fort: »Die Wipper sagen: Niemand weiß, was der Tod ist. Vielleicht, sagen sie, ist der Tod ja etwas viel Angenehmeres als das Leben. In dem Fall wäre es jedoch aberwitzig, mit etwas Gutem zu drohen, meinen sie. Während der Wipper in diesem Eisenbottich steckt, können wir ihn umbringen. Nur wird uns das nicht retten. Denn dann nehmen sie sich mit Gewalt, was sie wollen, und wir gehen völlig leer aus. Ich kann diese Entscheidung nicht allein treffen, Tochter des Roten Vollmonds. Rufen wir Charly. Über diese Frage muss der Rat entscheiden.«
»Bleibt uns überhaupt noch Zeit, den Rat einzuberufen?«, fragte Arina und hielt dem Arzt den linken Arm hin, damit er ihr eine Spritze gab. Der Marschall band ihn ihr ab und reinigte den blau angelaufenen, malträtierten Ellbogen mit Schnaps.
»Ja, Herrin. Uns bleibt so lange Zeit, bis Diejenigen, die die Erde zum Wippen bringen, ihre Beeren aufgegessen haben. Das haben sie mir jedenfalls versprochen.«
In diesem Moment stürzte Rokotow, über und über mit Waffen behangen, in den Panzerwagen. »Das war’s!«, keuchte er. »Die haben Bienen!«
»Bienen?«, fragte Sergo verständnislos. »Was für Bienen bitte?«
»Wilde, verdammt noch mal! Wenn ihr mir nicht glaubt, überzeugt euch doch selbst davon!«
Bis auf Arina eilten alle zum Einstieg. Ein Blick gen
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