Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
Vom Netzwerk:
nachts die Fenster, hier wimmelt es von …« Er dachte kurz nach und ließ den Satz unvollendet.
    Das Hotel hatte die vergangenen hundert Jahre relativ gut überstanden. Das Erdgeschoss und der erste Stock waren zwar geplündert und fast vollständig ausgebrannt, aber weiter oben fand Artur in den Zimmern sogar gemachte Betten und in den Bädern unter trüben Spiegeln Stücke harter Seife. Zunächst brachte er die Frauen auf ihr Zimmer. Prochor hatte irgendwo Nägel aufgetrieben, die er ihm unter die Nase hielt, während er wortlos in Richtung der Fenster nickte. Durch die Schichten hundertjährigen Drecks drang zwar fast kein Licht, aber Kowal sollte zumindest in diesem Zimmer trotzdem noch Bretter anbringen. Während er ein paar Tische auseinandernahm, versuchte er herauszukriegen, wen die Mütter hier zu fürchten hatten, doch Prochor schwieg sich weiter beharrlich aus.
    Im Übrigen lief dieser Wipper ohne Waffe herum und drehte Artur ohne jede Sorge den Rücken zu. Am Abend versammelten sich alle vier Wipper vor dem Hotel und entzündeten Feuer. Sie von seinem Balkon aus betrachtend, fiel Kowal einmal mehr auf, dass er ihre Gesichter nicht klar wahrnahm. Die drei Gefährten Ismails maskierten ihr Äußeres mit großer Sorgfalt. Was wollten diese Menschen? Oder auch Nicht-Menschen. Weshalb hatten sie einen Weg von fast tausend Kilometern zurückgelegt und wären womöglich bereit gewesen, eine noch längere Strecke auf sich zu nehmen? Ja wohl nicht nur wegen dieser dämlichen Prophezeiung. Nur weil dieser radioaktiv verseuchte Opa irgendwas gebrabbelt hatte, konnte man aus ihm, einem Menschen aus Fleisch und Blut, doch nicht allen Ernstes eine Legende machen!
    Jemand klopfte leise an die Tür seines Zimmers. Feuchtigkeit hatte das Holz über die Jahre anschwellen lassen und die Rahmen verbogen. Artur hatte die Tür nur anlehnen können, dann aber das Bett davorgeschoben, eher symbolisch im Grunde. Als er es jetzt ein Stück zurückzog und öffnete, stand Nadja van Gogh vor ihm, auf jede Symbolik pfeifend.
    »Komm rein!«, forderte er sie auf und deutete mit großer Geste auf den pelzgefütterten Mantel, den er auf den Boden geworfen hatte. »Auf das Bett setz dich besser nicht!«
    »Das weiß ich schon«, erwiderte sie. »In denen hausen Käfer. Wir schlafen auch auf dem Boden.«
    Er schloss die Tür, ging zum Fenster und starrte zu Ismail hinunter, der Äste in die Feuer warf. In seinem Rücken spürte er Nadjas Blick. Seit sie mit den Wippern unterwegs waren, hatte er nicht ein Mal mit ihr gesprochen, obwohl auch er sich um die Mütter hatte kümmern müssen, indem er Wasser heranschleppte, Feuerholz vorbereitete und Fleisch verteilte. Wenn die Kutsche irgendwo stecken geblieben war, waren die vier Frauen ausgestiegen und hatten geduldig gewartet, bis es weiterging. Auch hier musste Artur helfen, den Wagen wieder flottzumachen. Dabei hatte er die vier stets geflissentlich ignoriert. Nadja hatte ihn jedoch beobachtet. Sobald sie sich aber wegdrehte, hatte er sie förmlich mit Blicken verschlungen. Tag für Tag hatte dieses wortlose Spiel aufs Neue begonnen, jeden Abend hatte er gegen den Wunsch angekämpft, zu ihr zu gehen und sich neben sie ans Lagerfeuer zu setzen.
    Irgendwie hatte er die Karawane zwar verraten – beglückwünschte sich aber innerlich dazu. Bisher war einfach alles viel zu schnell gegangen. Was jetzt wohl auf ihn zukam? Ob er zu Strafarbeit im Kohlewerk verdonnert wurde? Oder mit einer Kette um den Hals Dienst in der Höhle eines Orakels schieben musste? Aber so oder so: Nadja van Gogh würde Moskau nicht sehen – und auch dazu beglückwünschte er sich.
    Auf dem Platz brannten inzwischen vier Feuer. Gerade fachte Prochor zwei weitere an. Im Haus gegenüber dem Hotel wehten in den eingeschlagenen Fenstern im Erdgeschoss Gardinenfetzen. Es sah aus, als schliche sich ein hungriger Riese an sie heran, der in seinem zahnlosen Maul die Zunge hin und her bewegte.
    »Wie heißt du, Schmied?«
    »Artur.«
    Er musste jetzt endlich eine Entscheidung treffen. Entweder graulte er diese Nadja auf der Stelle mit ein paar groben Worten raus oder er nahm sie endlich in die Arme.
    Sie kam auf ihn zu und stellte sich neben ihn, das Knie gegen das tiefe Fensterbrett gestützt. Diese unbewusste Geste kannte er nur zu gut. Das ewige Spiel, dachte er, selbst in dieser Welt hat es sich nicht geändert. Zum Glück nicht. Aber bevor hier irgendwas läuft, brauch ich erst mal einen Schnaps. Warum sieht diese Nadja

Weitere Kostenlose Bücher