Cryptonomicon
Tätowierung stehende Name ist der Folgende: Griselda. Sir!«
»Aaaah!« Lieutenant Ethridge lässt den Laut tief aus dem Zwerchfell heraufkommen. Verschleierte Frauen drehen sich danach um. Drüben in der Kasbah lehnen sich verhungert wirkende, unrasierte Lumpenköpfe aus zierlichen Türmen und jodeln misstönend.
Ethridge verstummt und begnügt sich damit, die Fäuste zu ballen, bis sie weiß werden. Als er wieder spricht, ist seine Stimme vor Erregung belegt. »Es sind schon Schlachten durch unbedeutendere Glücksfälle entschieden worden, Sergeant!«
»Wem sagen Sie das?«, sagt Shaftoe. »Als ich auf Guadalcanal war, Sir, wurden wir in dieser kleinen Bucht eingeschlossen und festgenagelt – »
»Ich will die Echsengeschichte nicht hören, Sergeant!«
»Sir! Jawohl, Sir!«
Einmal, als Bobby Shaftoe noch in Oconomowoc wohnte, musste er seinem Bruder helfen, eine Matratze eine Treppe hochzuschaffen und das flößte ihm neuen Respekt vor der Schwierigkeit ein, schwere, aber schlaffe Gegenstände zu handhaben. Hott, und Gott sei seiner Seele gnädig, hat ein Mordsgewicht, und deshalb ist es ein Riesenglück, dass er steif gefroren ist. Wenn die Mittelmeersonne ihn sich erst mal vorgenommen hat, wird er garantiert schlaff sein. Und auch sonst noch einiges.
Shaftoes Männer sind allesamt unten im Bereitstellungsraum. Dabei handelt es sich um eine Höhle in einem steilen, künstlichen Kliff, das sich unmittelbar über den Hafenanlagen aus dem Mittelmeer erhebt. Diese Höhlen setzen sich meilenweit fort und über ihnen verläuft eine breite Straße. Im Falle dieser speziellen Höhle jedoch sind selbst die Zufahrten mit Zeltbahnen und Planen verhängt worden, damit niemand, nicht einmal alliierte Truppen, sehen kann, womit sie sich beschäftigen: nämlich nach irgendwelchen Ausrüstungsgegenständen suchen, die mit 2701 beschriftet sind, die letzte Ziffer übermalen und durch eine 2 ersetzen. Die erste Operation wird von Männern mit grüner, die zweite von Männern mit weißer oder schwarzer Farbe durchgeführt.
Shaftoe sucht sich aus jeder Farbgruppe einen Mann aus, damit die Operation insgesamt nicht gestört wird. Die Sonne ist hier überwältigend stark, doch in der Höhle, durch die sich eine kühle Mittelmeerbrise stiehlt, ist es eigentlich gar nicht so schlecht.Von all den warmen, übermalten Flächen geht der scharfe Geruch von Petroleumdestillaten aus. Für Bobby Shaftoe ist das ein tröstlicher Geruch, denn man streicht niemals etwas, wenn man sich im Gefecht befindet. Der Geruch macht ihn andererseits aber auch ein bisschen fickrig, weil man häufig etwas streicht, kurz bevor man sich ins Gefecht begibt.
Shaftoe will seine drei handverlesenen Marines gerade darüber informieren, was ihnen bevorsteht, als Daniels, der Private mit der schwarzen Farbe an den Händen, an ihm vorbei schaut und grinst. »Wonach sucht’n der Lieutenant jetzt schon wieder, was meinen Sie, Sarge?«, fragt er.
Shaftoe und die Privates Nathan (grüne Farbe) und Branph (Weiß) schauen zu Ethridge hinüber und sehen, dass er sich hat ablenken lassen. Er durchwühlt erneut die Abfalleimer.
»Wir haben alle bemerkt, dass Lieutenant Ethridge offenbar meint, es sei seine Lebensaufgabe, Abfalleimer zu durchwühlen«, sagt Sergeant Shaftoe mit leiser, gebieterischer Stimme. »Er ist Absolvent von Annapolis.«
Ethridge richtet sich auf und hält auf die denkbar vorwurfsvollste Weise ein gelochtes und perforiertes Stück Pappe hoch. »Sergeant! Würden Sie mir bitte sagen, worum es sich bei diesem Material handelt.«
»Sir! Das ist das Standardmodell einer Militärschablone, Sir!«
»Sergeant! Wie viele Buchstaben hat das Alphabet?«
»Sechsundzwanzig, Sir!«, erwidert Shaftoe schneidig.
Die Privates Daniels, Nathan und Branph pfeifen einander anerkennend zu – dieser Sergeant Shaftoe ist schwer auf Zack.
»Und wie viele Ziffern?«
»Zehn, Sir!«
»Und von den sechsunddreißig Buchstaben und Ziffern sind wie viele durch unbenutzte Schablonen in diesem Abfalleimer vertreten?«
»Fünfunddreißig, Sir! Alle bis auf die Ziffer 2, die einzige, die wir brauchen, um Ihre Befehle auszuführen, Sir!«
»Haben Sie den zweiten Teil meines Befehls vergessen, Sergeant?«
»Sir, jawohl, Sir!« Sinnlos, in diesem Punkt zu lügen. Eigentlich mögen es Offiziere sogar, wenn man ihre Befehle vergisst, weil es sie daran erinnert, wie viel schlauer als man selbst sie sind. So haben sie das Gefühl, gebraucht zu werden.
»Der
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