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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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an seinem Kanal herumgepfuscht hat. Um das zu verhindern, würde ich weitere falsche Akten platzieren müssen, in denen ungewöhnlich große und kleine Werte genannt werden.«
    »Ein paar Mädchen erfinden, die außergewöhnlich klein oder groß sind«, sagt Chattan.

    »Ja. Dadurch würde sich die Kurve genau so abflachen, wie sie soll.«
    Chattan sieht ihn weiterhin erwartungsvoll an.
    Waterhouse sagt: »D. h. wenn man eine kleine Zahl ansonsten bizarr erscheinender Anomalien hinzufügt, sieht alles vollkommen normal aus.«
    »Wie ich schon sagte«, sagt Chattan, »unser Zug ist in Nordafrika – während wir uns hier unterhalten – und verbreitert die Glockenkurve. Damit alles vollkommen normal aussieht.«

Fleisch
    Na schön, Private First Class Gerald Hott, ehemals Chicago, Illinois, ist in seinen fünfzehn Jahren bei der United States Army nicht gerade wie ein Komet aufgestiegen. Aber ein Lendenstück zerlegen, das beherrschte er aus dem Effeff. Mit einem Ausbeinmesser konnte er ebenso geschickt umgehen wie Bobby Shaftoe mit einem Bajonett. Und wer weiß, vielleicht rettet ja ein Militärmetzger, indem er mit der begrenzten Fleischmenge eines Ochsenrumpfes haushält und peinlich genau auf die Einhaltung der Hygienevorschriften achtet, genau so viele Menschenleben wie ein stahläugiger Krieger. Beim Militär geht es nicht nur darum, Nips, Krauts und Spaghettifresser zu töten. Es geht auch darum,Vieh zu töten – und aufzuessen. Gerald Hott war ein Frontkämpfer, der sein Kühlhaus so sauber hielt wie einen Operationssaal, und so ist es nur angemessen, dass er auch dort geendet hat.
    Bobby Shaftoe improvisiert diese kleine Elegie, während er in der subarktischen Kälte eines ehedem französischen und nun der US Army gehörenden Kühlhauses von der Größe und Temperatur Grönlands vor sich hin bibbert, umgeben von den irdischen Überresten mehrerer Viehherden und eines Metzgers. Er hat in seiner kurzen Dienstzeit nicht wenigen Militärbegräbnissen beigewohnt und war jedes Mal schwer beeindruckt von der Fähigkeit des Kaplans, mit einer bewegenden Grabrede für den Dahingegangenen aufzuwarten. Er hat Gerüchte gehört, dass das Militär eingeschränkt Tauglichen, die bei der Einberufung durch Grips auffallen, das Tippen beibringt, sie an einen Schreibtisch setzt und sie diese Dinger tippen lässt, Tag für Tag. Schöner Posten, wenn man ihn kriegen kann.
    Die gefrorenen Rümpfe baumeln in langen Reihen an Fleischerhaken. Während sich Bobby Shaftoe die Gänge hinauf- und hinunterarbeitet, wird er immer angespannter und wappnet sich gegen den üblen Anblick, der ihm bevorsteht. Da ist es fast angenehmer, wenn es einem Kumpel plötzlich den Kopf zerreißt, während er gerade eine Zigarette anpafft – eine solche Spannung kann einen wahnsinnig machen.
    Schließlich biegt er um das Ende einer Reihe und stößt auf einen Mann, der auf dem Boden schlummert, in inniger Umarmung mit einem Schweinerumpf, den er zum Zeitpunkt seines Todes offenbar gerade hat zerlegen wollen. Er liegt nun schon seit ungefähr zwölf Stunden da und seine Körpertemperatur bewegt sich um minus vierundzwanzig Grad Celsius.
    Bobby Shaftoe strafft sich, um die Leiche genauer zu betrachten, und nimmt einen tiefen Atemzug von der frostigen, nach Fleisch riechenden Luft. Er faltet auf eine zugleich gebetshafte und dem Aufwärmen dienende Weise die zyanotischen Hände vor der Brust. »Lieber Gott«, sagt er laut. Seine Stimme hallt nicht; die Tierrümpfe verschlucken sie. »Vergib Sergeant Shaftoe diese seine Pflichten, die er gleich erfüllen wird, und wo Du gerade dabei bist, vergib unbedingt auch seinen Vorgesetzten, mit denen Du ihn in Deiner unendlichen Weisheit gesegnet hast, und vergib deren Vorgesetzten, auf deren Mist die ganze Chose gewachsen ist.«
    Er erwägt, sich ausführlicher zu verbreiten, kommt dann jedoch zu dem Schluss, dass das hier auch nicht schlimmer ist, als Nips abzustechen, also macht man am besten einfach weiter. Er tritt neben die aneinander geklammerten Rümpfe von PFC Gerald Hott und Frosty, dem Schwein, und versucht erfolglos, sie zu trennen. Er hockt sich daneben und mustert Ersteren genauer. Hott ist blond. Seine Augen sind halb geschlossen, und als Shaftoe mit einer Taschenlampe in einen Schlitz leuchtet, nimmt er einen blauen Schimmer wahr. Hott ist ein großer, schwerer Kerl, der in körperlicher Bestverfassung gut und gerne zweihundertfünfundzwanzig Pfund auf die Waage brächte und jetzt gut und gerne

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