Cryptonomicon
zweite Teil meines Befehls lautete, strenge Maßnahmen zu ergreifen, damit keine Spur von der Veränderung zurückbleibt!«
»Sir, jawohl, jetzt erinnere ich mich wieder, Sir!«
Lieutenant Ethridge, der zunächst ein wenig eingeschnappt war, hat sich mittlerweile ziemlich beruhigt, was für ihn spricht und von sämtlichen Männern, die ihn erst seit weniger als sechs Stunden kennen, gebührend, wenn auch stumm, zur Kenntnis genommen wird. Mittlerweile spricht er in ruhigem Gesprächston, wie ein freundlicher High-School-Lehrer. Er trägt die Militärbrille mit dem dicken, schwarzen Gestell, die im Gewerbe als NVB oder Notzuchtverhinderungsbrille bekannt ist. Sie ist mit einem dicken schwarzen Gummiband an seinem Kopf festgeschnallt. Er sieht damit aus wie ein geistig Zurückgebliebener. »Wenn ein feindlicher Agent den Inhalt dieses Abfalleimers durchsuchen würde, was man von feindlichen Agenten durchaus schon erlebt hat, was würde er dann finden?«
»Schablonen, Sir!«
»Und wenn er die Ziffern und Buchstaben zählen würde, würde ihm dann irgendetwas Ungewöhnliches auffallen?«
»Sir! Sie wären alle sauber, bis auf die Zweier, die entweder fehlen würden oder voller Farbe wären, Sir!«
Lieutenant Ethridge sagt ein paar Minuten lang gar nichts und lässt seine Worte wirken. In Wirklichkeit weiß kein Aas, wovon er eigentlich redet. Die Atmosphäre lädt sich auf, bis Sergeant Shaftoe schließlich einen verzweifelten Versuch macht. »Marines, ich will, dass ihr auf alle diese verfluchten Schablonen Farbe drauf macht!«, bellt er.
Die Marines attackieren die Abfalleimer, als wären es japanische Bunker, und Lieutenant Ethridge scheint besänftigt. Nachdem Bobby Shaftoe auf diese Weise kräftig gepunktet hat, führt er die Privates Daniels, Nathan und Branph hinaus auf die Straße, ehe Lieutenant Ethridge dahinter steigt, dass Shaftoe bloß geraten hat. Sie steuern zügig das Kühlhaus oben auf dem Kamm an.
Diese Marines sind allesamt schlachterprobte Veteranen, sonst wären sie nie in einen derart üblen Schlamassel geraten – auf einem unnötig gefährlichen Kontinent (Afrika) festsitzend und umringt vom Feind (Truppen der United States Army). Dennoch, als sie das Kühlhaus betreten und ihren ersten Blick auf PFC Hott werfen, werden sie still.
Private Banph faltet die Hände und reibt sie dabei verstohlen aneinander. »Lieber Gott – »
»Klappe halten, Private!«, sagt Shaftoe, »das hab ich schon gemacht.«
»Okay, Sarge.«
»Besorgen Sie eine Fleischsäge!«, sagt Shaftoe zu Private Nathan.
Den Privates verschlägt es den Atem.
»Für das verfluchte Schwein!«, verdeutlicht Shaftoe. Dann wendet er sich an Private Daniels, der ein unauffälliges Bündel trägt, und sagt: »Aufmachen!«
Das Bündel (das Ethridge an Shaftoe ausgehändigt hat) enthält, wie sich herausstellt, einen Taucheranzug. Nicht die GI-Ausführung; irgendein europäisches Modell. Shaftoe faltet ihn auseinander und überprüft die verschiedenen Teile, während die Privates Nathan und Branph mit kräftigen Zügen einer riesigen Spannsäge Frosty das Schwein zerstückeln.
Alles arbeitet stumm vor sich hin, da plötzlich unterbricht eine neue Stimme. »Lieber Gott«, beginnt die Stimme und alle blicken auf und sehen einen Mann in ihrer Nähe stehen, der die Hände zum Gebet gefaltet hat. Seine Worte sind feierlich zu einer deutlich sichtbaren, ausströmenden Dampfwolke kondensiert und verschleiern sein Gesicht. Uniform und Rang werden von einer um seine Schultern geworfenen Army-Decke verborgen. Er würde wie ein Kamel reitender Prophet aus dem Heiligen Land aussehen, wenn er nicht sauber rasiert wäre und eine Notzuchtverhinderungsbrille trüge.
»Verdammt noch mal!«, sagt Shaftoe. »Ich hab schon ein Gebet gesprochen, verfluchte Scheiße.«
»Beten wir denn für Private Hott oder für uns selbst?«, fragt der andere.
Das ist eine harte Nuss. Es wird ganz still, da sogar die Fleischsäge aufhört, sich zu bewegen. Shaftoe lässt den Taucheranzug los und steht auf. Der Mann mit der Decke hat sehr kurzes, graues Haar, vielleicht bildet sich aber auch nur Frost auf seiner Kopfhaut. Durch die kilometerdicken Gläser seiner NVB begegnet der Blick seiner eisfarbenen Augen dem von Shaftoe, als erwarte er eine Antwort. Shaftoe tritt einen Schritt näher und bemerkt, dass der Mann einen Priesterkragen trägt.
»Sagen Sie’s mir, Rev«, sagt Shaftoe.
Dann erkennt er den Mann mit der Decke. Schon will er ein kerniges Scheiße
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