Cryptonomicon
Horde«, wie Sean Daniel McGee sie beschreibt, »eine Wespenplage«, »ein grölendes Heer«, »eine schwarze aus der Hölle losgelassene Meute« und andere Bezeichnungen, die er sich heute nicht mehr erlauben könnte. Sie überwältigten und entwaffneten die GIs, ohne ihnen ein Haar zu krümmen. Nachdem sie den Stacheldraht an einer Stelle so lange mit dicken Ästen niedergedrückt hatten, bis der Zaun überwindbar wurde, fielen sie mit gezückten Speeren in das Lager ein. McGees Bericht darüber erstreckt sich noch über weitere zwanzig Seiten und ist neben allem anderen die Geschichte jener Nacht, in der ein freundlicher Sergeant aus Südboston für den Rest seines Lebens aus der Bahn geworfen wurde.
»Sir?«
Völlig verdutzt bemerkt Randy, dass die Taxitür offen steht. Er schaut sich um und stellt fest, dass er sich unter der Markise des Foote Mansion Hotels befindet. Die Tür wird ihm von einem drahtigen jungen Hotelpagen aufgehalten, der anders aussieht als die meisten Kinakutaner, die Randy bis dahin gesehen hat. Dieser Junge entspricht ganz genau Sean Daniel McGees Beschreibung der Eingeborenen aus dem Inselinneren.
»Danke«, sagt Randy und besteht darauf, dem Burschen ein ordentliches Trinkgeld zu geben.
Sein Zimmer ist mit Möbeln ausgestattet, die in Skandinavien entworfen, aber am Ort aus verschiedenen gefährdeten Harthölzern zusammengebaut worden sind. Der Blick geht auf die Berge im Inneren, aber wenn er auf seinen kleinen Balkon tritt, kann er ein bisschen Wasser sehen, ein Containerschiff, das gerade gelöscht wird, und den größten Teil des Gartens, den die Japaner zu Ehren der Toten am Ort des Massakers angelegt haben.
Mehrere Nachrichten und Faxe erwarten ihn: die meisten von den Kollegen der Epiphyte Corp., die ihm mitteilen, dass sie angekommen und in welchen Zimmern sie zu finden sind. Randy packt seine Taschen aus, geht unter die Dusche und schickt seine Hemden für den nächsten Tag hinunter in die Wäscherei. Dann macht er es sich an seinem kleinen Tisch bequem, startet seinen Laptop und ruft den Unternehmensplan der Epiphyte(2) Corporation auf.
Echse
Bobby Shaftoe und seine Kumpel sind gerade zu einer hübschen kleinen Morgenfahrt über Land aufgebrochen.
In Italien.
Italien! Scheiße, er kann es nicht fassen! Was soll das eigentlich werden?
Nicht seine Aufgabe, das zu wissen. Seine Aufgabe ist ihm sehr genau beschrieben worden. Sie muss genau beschrieben werden, weil sie keinen Sinn ergibt.
Damals, in der guten alten Zeit auf Guadalcanal, pflegte sein befehlshabender Offizier so etwas wie »Shaftoe, radieren Sie diesen Bunker aus!« zu sagen, und von diesem Moment an war Bobby Shaftoe in seinem Handeln frei. Er konnte gehen, laufen, schwimmen oder robben. Er konnte sich anschleichen und eine Sprenggranate hineinwerfen oder er konnte das Objekt aus einiger Distanz mit einem Flammenwerfer abspritzen. Spielte keine Rolle, solange er nur das Ziel erreichte.
Das Ziel dieses kleinen Unternehmens übersteigt bei weitem Shaftoes Begriffsvermögen. Man weckt ihn, Lieutenant Enoch Root, drei der anderen Marines, darunter auch den Funker, und mehrere von den SAS-Leuten mitten in der Nacht und scheucht sie zu einer der wenigen Piers auf Malta hinunter, die noch nicht von der Luftwaffe weggeblasen worden sind. Ein Unterseeboot wartet. Sie gehen an Bord und spielen ungefähr vierundzwanzig Stunden lang Karten. Die meiste Zeit sind sie über Wasser, wo Unterseeboote erheblich schneller fahren können, doch von Zeit zu Zeit tauchen sie, und das offensichtlich aus triftigem Grund.
Als man sie das nächste Mal auf das flache Deck des Unterseeboots lässt, ist es erneut mitten in der Nacht. Sie befinden sich in einer kleinen Bucht an einer ausgedorrten, zerklüfteten Küste. So viel kann Shaftoe im Mondlicht erkennen. Zwei Lkws warten auf sie. Sie öffnen Luken im Deck des Unterseeboots und beginnen, Zeug herauszuholen: Auf einen der Lkws laden die Marines einen Haufen Stoffsäcke, die anscheinend mit allem möglichen Müll voll gestopft sind. Unterdessen betätigen sich die Leute vom British Special Air Service mit Schraubenschlüsseln, Lumpen, Schmierfett und viel Gefluche auf der Ladefläche des anderen Lkw, wo sie etwas zusammenbauen, das sie in Kisten aus einem anderen Teil des Unterseeboots heraufgeholt haben. Es wird mit einer Plane abgedeckt, ehe Shaftoe es genauer anschauen kann, aber er erkennt es als etwas, das man nur ungern auf sich gerichtet sieht.
Auf der Pier lungern ein
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