Cryptonomicon
irgendetwas zu tun.
In der Höhlenöffnung zuckt etwas Rotes auf. Er schaut hin und kann nichts erkennen, was sich vor dem betäubenden visuellen Spektakel des Dschungels deutlich genug abzeichnete.
Dann sieht er erneut das rote Zucken und es verschwindet wieder. Es war geformt wie ein zugespitztes Y. Es war geformt wie die gespaltene Zunge eines Reptils.
Dann schießt ein sich bewegender Brocken lebendiger Dschungel aus der Höhlenöffnung und kracht in das Laubwerk darunter. Die Spitzen der Pflanzen beben und knicken unter seinem Gewicht.
Das Ding ist draußen, im Freien, auf dem Strand. Es bewegt sich auf allen Vieren flach über den Boden. Es verhält einen Moment lang und züngelt in Richtung des japanischen Marineinfanteristen, der nun, knapp zwanzig Meter entfernt, in den Pazifischen Ozean hineinhumpelt.
Sand stiebt auf wie Qualm von den schmorenden Reifen eines Dragsters und die Echse zischt über den Strand. Sie legt die Entfernung zu dem Marineinfanteristen in ein, zwei, drei Sekunden zurück, erwischt ihn in den Kniekehlen, reißt ihn in der Brandung um. Dann zerrt die Echse den toten Nip an Land zurück. Dort legt sie ihn zwischen den toten Amerikanern ab, geht ein paarmal züngelnd um ihn herum und fängt schließlich an, ihn zu fressen.
»Sarge! Wir sind da!«, sagt Private Flanagan. Noch bevor Shaftoe aufwacht, registriert er, dass Flanagan mit normaler Stimme spricht und weder verängstigt noch aufgeregt klingt.Wo immer »da« auch sein mag, es ist kein gefährlicher Ort. Sie werden nicht angegriffen.
Shaftoe macht in dem Moment die Augen auf, in dem die Plane über der Ladefläche des Lkw zurückgeschlagen wird. Er starrt geradewegs in einen blauen italienischen Himmel, dessen Ränder vom Zweiggekrakel dürftiger Bäume zerfranst werden. »Scheiße!«, sagt er.
»Was ist denn los, Sarge?«
»Das sag ich immer, wenn ich aufwache«, sagt Shaftoe.
Ihr neues Heim, so stellt sich heraus, ist ein altes landwirtschaftliches Gebäude auf einer Olivenfarm, -pflanzung, -plantage, oder wie immer man einen Ort nennt, wo Oliven angebaut werden. Läge das Gebäude in Wisconsin, würde jeder vorbeikommende Trottel es für verlassen halten. Hier aber ist sich Shaftoe in diesem Punkt nicht so sicher. Unter dem mörderischen Gewicht der roten Tonziegel ist das Dach teilweise in das Gebäude gestürzt und die Fenster und Türen klaffen weit auf und stehen den Elementen offen. Es ist ein großes Gebäude, so groß, dass sie nach mehrstündiger Arbeit mit dem Vorschlaghammer einen der Lkws hineinfahren und vor Luftaufklärern verstecken können. Sie laden die Müllsäcke von dem anderen Lkw ab. Dann fährt der Italiener ihn weg und kommt nicht wieder.
Corporal Benjamin, der Funker, beschäftigt sich damit, auf Olivenbäume zu klettern und überall Kupferdrähte zu spannen. Die Burschen vom SAS gehen auf Erkundung, während die Jungs vom Marine Corps die Müllsäcke öffnen und damit beginnen, das Zeug zu verteilen. Es gibt italienische Zeitungen aus mehreren zurückliegenden Monaten. Sie sind allesamt aufgeschlagen, zerfleddert, aufs Geratewohl gefaltet worden. Man hat einzelne Artikel herausgerissen, andere umkringelt oder mit Bleistift-Anmerkungen versehen. Chattans Befehle beginnen wieder in Shaftoes Gehirn einzusickern; er häuft die Zeitungen in den Ecken der Scheune aufeinander, die ältesten zuunterst, die neueren oben drauf.
Es gibt einen ganzen Sack voller Zigarettenstummel, die sorgfältig heruntergeraucht worden sind. Sie sind von einer europäischen Marke, die Shaftoe unbekannt ist. Wie ein breitwürfig säender Bauer trägt er diesen Sack durch das Gebäude und wirft die Stummel händeweise auf den Boden, wobei er sich vorwiegend auf Stellen konzentriert, wo tatsächlich Leute arbeiten werden: Corporal Benjamins Tisch und ein zweiter Behelfstisch, den sie zum Essen und Pokerspielen aufgestellt haben. Ebenso verfährt er mit einem Gemisch aus Wein- und Kronenkorken. Die gleiche Anzahl Wein- und Bierflaschen werden eine nach der anderen in eine dunkle, unbenutzte Ecke der Scheune geschleudert. Shaftoe begreift, dass dies die zufriedenstellendste Arbeit ist, die er je kriegen wird, also übernimmt er sie und wirft die Flaschen wie ein Quaterback der Green Bay Packers, der seinen mutigen Tight ends Pässe mit Drall in die sicheren Hände schleudert.
Die SAS-Leute kommen von ihrem Erkundungsgang zurück und es findet ein Rollentausch statt; nun ziehen die Marines los, um sich mit dem Gelände
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