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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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die Marines schon lange für nötig, sich von zu Hause ihre eigenen Maschinenpistolen mitzubringen: Das Corps will, dass sie Leute umbringen, aber es gibt ihnen einfach nicht den Kram, den sie dazu brauchen!
    Abteilung 2702 allerdings ist ein ganz anderer Haufen. Hier tragen ja sogar die Stoppelhopser Feuerspritzen! Und wenn das sie nicht hellhörig gemacht hat, dann die Blausäure-Kapseln. Und der Vortrag von Chattan über die korrekte Art, sich selbst den Kopf wegzublasen (»Sie wären überrascht, wie viele ansonsten kompetente Burschen diesen augenscheinlich simplen Vorgang vermasseln«).
    Nun wird Shaftoe klar, dass es ein unausgesprochenes Kodizill zu Chattans Befehlen gibt: Ach ja, richtig, und wenn irgendwelche Italiener, die tatsächlich in Italien leben und das Land regieren und Faschisten sind und mit uns im Krieg liegen – wenn die euch bemerken und aus irgendeinem Grund Einwände gegen euer nettes Plänchen haben, worin es auch bestehen mag, dann bringt sie unbedingt um. Und wenn das nicht klappt, dann bringt euch bitte unbedingt selbst um, weil ihr das wahrscheinlich besser hinkriegt als die Faschisten. Und vergesst die Sonnenschutzcreme nicht!
    Eigentlich hat Shaftoe nichts gegen dieses Unternehmen. Es ist bestimmt nicht schlimmer als Guadalcanal. Was ihn stört (beschließt er, während er es sich auf den geheimnisvollen Müllsäcken bequem macht und zu einem Riss in der Plane aufschaut) ist, dass er nicht versteht, welchen Zweck es verfolgt.
    Vielleicht ist der Rest des Zuges tot, vielleicht auch nicht; er meint, noch einige schreien zu hören, aber beim Donnern der Brandung und dem unaufhörlichen Knattern des Maschinengewehrs ist das schwer zu sagen. Dann wird ihm klar, dass noch einige leben müssen, denn sonst würden die Nips nicht weiterschießen.
    Shaftoe weiß, dass er näher an dem Maschinengewehr dran ist als jeder seiner Kumpel. Er ist der Einzige, der eine Chance hat.
    Zu diesem Zeitpunkt trifft Bobby Shaftoe seine große Entscheidung. Das ist erstaunlich einfach – andererseits sind wirklich dumme Entscheidungen immer die einfachsten.
    Er robbt an dem Baumstamm entlang zu der Stelle, die dem Maschinengewehr am nächsten ist. Dann holt er mehrmals hintereinander tief Luft, geht in die Hocke und flankt über den Baumstamm. Jetzt sieht er den Höhleneingang deutlich vor sich, den kometenförmigen Mündungsblitz des Maschinengewehrs im schwarzen Gittermuster des Netzes, das sie gespannt haben, um heranfliegende Granaten abzuwehren. Es ist alles ganz deutlich sichtbar. Er blickt zurück über den Strand und sieht reglose Körper.
    Plötzlich geht ihm auf, dass sie immer noch schießen, nicht weil noch irgendeiner seiner Kumpel lebt, sondern um ihre überzählige Munition zu verbrauchen, damit sie nicht so viel schleppen müssen. Shaftoe ist ein Frontschwein und kann das verstehen.
    Dann schwingt die Mündung jäh auf ihn zu – man hat ihn ausgemacht. Er steht vollkommen ungedeckt im Freien. Er kann in das Laubwerk des Dschungels hechten, doch sie werden es mit Feuer bestreichen, bis er tot ist. Bobby Shaftoe setzt die Füße fest auf, zielt mit seiner 45er auf die Höhle und beginnt den Abzug zu betätigen. Der Lauf des Maschinengewehrs zeigt jetzt auf ihn.
    Aber es schießt nicht.
    Seine 45er klickt. Sie ist leer. Bis auf die Brandung und das Geschrei ist alles still. Shaftoe steckt seine 45er ins Halfter und zieht seinen Revolver.
    Die Stimme, die schreit, ist ihm unbekannt. Es ist keiner von Shaftoes Kumpels.
    Aus der Mündung der Höhle, weit über Shaftoes Kopfhöhe, kommt ein japanischer Marineinfanterist hervorgestürzt. Shaftoes rechte Pupille, das Visier seines Revolvers und dieser Nip bilden einen kurzen Moment lang eine Linie, Shaftoe drückt zweimal den Abzug und erzielt so gut wie sicher einen Treffer.
    Der Marineinfanterist verfängt sich in dem Netz und stürzt vor Shaftoe zu Boden.
    Gleich darauf springt unter abgerissenem Keuchen, vor Grauen offenbar sprachlos, ein zweiter Nip aus der Höhle. Er kommt falsch auf und bricht sich das Bein. Shaftoe kann den Knochen knacken hören. Trotz des kaputten Beins läuft der Soldat unter groteskem Humpeln Richtung Brandung los. Er ignoriert Shaftoe völlig. Er blutet schrecklich an Hals und Schultern und im Laufen schlackern lose Fleischfetzen an ihm herum.
    Bobby Shaftoe steckt seinen Revolver ins Holster. Eigentlich müsste er sein Gewehr in Anschlag bringen und den Kerl abknipsen, aber im Augenblick ist er zu verwirrt, um

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