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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hinabzusteigen.
    »Dieser Schacht war voller Felsblöcke«, erklärt Tom, »aber wir konnten sehen, dass Kabel hinunterführten, also musste hier unten irgendetwas sein.«
    Nervös blickt Randy zur Decke. »Warum war er voller Felsblöcke? Wegen eines Einsturzes?«
    »Nein«, entgegnet Tom, »das waren die japanischen Soldaten. Sie haben Felsblöcke in den Schacht hinuntergeworfen, bis er voll war. Ein Dutzend unserer Arbeiter hat zwei Wochen gebraucht, um sie alle ohne technische Hilfsmittel herauszuholen.«
    »Und wohin führten die Kabel?«
    »Zu Glühbirnen«, sagt Tom, »es waren nur elektrische Leitungen, keine zur Nachrichtenübermittlung.«
    »Was haben sie denn hier unten zu verstecken versucht?«, fragt Randy. Er ist fast am Fuß der Treppe angelangt und kann einen etwa zimmergroßen Hohlraum erkennen.
    »Schau es dir an«, sagt Tom und drückt einen Lichtschalter.
    Der Hohlraum ist ungefähr so groß wie eine Einfachgarage und hat einen schön geraden Boden. Es gibt einen hölzernen Schreibtisch, einen Stuhl und einen Aktenschrank, alles von dem grau-grünen Flaum von über fünfzig Jahren Pilzwachstum überzogen. Und dann steht da noch eine olivgrün gestrichene Metalltruhe, auf die mit Schablone japanische Schriftzeichen aufgemalt sind.
    »Ich habe das Schloss von dem Ding aufgebrochen«, sagt Tom. Er geht zu der Truhe hinüber und klappt den Deckel auf. Sie ist voller Bücher.
    »Hattest du Goldbarren erwartet?«, sagt Tom und lacht über Randys Gesichtsausdruck.
    Randy setzt sich auf den Boden und umfasst seine Knöchel. Mit offenem Mund starrt er die Bücher in der Truhe an.
    »Alles in Ordnung?«, fragt Tom.
    »Ein ganz starkes Déjà-vu-Erlebnis«, erklärt Randy.
    »Davon?«
    »Ja«, sagt Randy, »ich hab das schon mal gesehen.«
    »Wo?«
    »Auf dem Dachboden meiner Großmutter.«
     
     
     
    Randy findet allein den Weg nach oben, aus dem Labyrinth von Höhlen und auf den Parkplatz hinaus. Die warme Luft auf seiner Haut fühlt sich gut an, aber bis er den Wohnwagen der Epiphyte Corp. gefunden hat, um seinen Schutzhelm und die Stiefel zurückzugeben, hat er schon wieder angefangen zu schwitzen. Er verabschiedet sich von den drei Frauen, die hier arbeiten, und ist erneut beeindruckt von ihrer Aufmerksamkeit und ihrem Eifer. Dann fällt ihm wieder ein, dass er ja kein bloßer Eindringling ist. Er ist Aktionär und ein wichtiges Vorstandsmitglied in der Firma, die sie beschäftigt – er bezahlt oder tyrannisiert sie, das kann man sich aussuchen.
    In dem Bemühen, seinen Stoffwechselofen nicht anzuheizen, trottet er langsam über den Parkplatz. Neben dem Taxi, mit dem er gekommen ist, steht jetzt ein zweites, und die Fahrer lehnen in ihren Fenstern und halten ein Schwätzchen.
    Als Randy auf sein Taxi zugeht, blickt er zufällig zurück zum Eingang der Höhle. Umrahmt von ihrem dunklen Rachen und ganz klein zwischen den riesenhaften Silhouetten der Goto-Kipper sieht er einen einzelnen Mann mit silbergrauem Haar, gebückt, aber gepflegt und in seinem Trainingsanzug und seinen Turnschuhen fast athletisch wirkend. In der Hand einen langen Blumenstrauß, steht er mit dem Rücken zu Randy vor der Höhle. Er scheint im Schlamm verwurzelt, vollkommen reglos.
    Die Vordertür des Goto-Engineering-Wohnwagens fliegt auf. Ein junger Japaner in weißem Hemd, gestreifter Krawatte und einem orangefarbenen Schutzhelm steigt die Stufen hinunter und geht energischen Schrittes auf den alten Mann mit den Blumen zu. Als er immer noch ein Stück von ihm entfernt ist, bleibt er stehen, stellt die Füße zusammen und vollführt eine Verbeugung. Mit einem breiten Lächeln nähert er sich dem alten Mann und deutet mit einer Hand einladend auf den Goto-Wohnwagen. Der alte Mann scheint verwirrt – vielleicht sieht die Höhle nicht mehr so aus wie früher -, doch nach ein paar Augenblicken erwidert er den Gruß mit einer knappen Verbeugung und erlaubt dem jungen Ingenieur, ihn aus dem Verkehrsstrom hinauszuführen.
    Randy steigt in sein Taxi und sagt »Foote Mansion« zu dem Fahrer.
    Er hat die Illusion gehegt, er würde Sean Daniel McGees Kriegstagebuch langsam und gründlich, von Anfang bis Ende, durchlesen, aber diese Vorstellung ist mittlerweile den Weg aller Illusionen gegangen. Während der Rückfahrt zum Hotel zieht er den Packen Fotokopien hervor und beginnt schonungslos auszusortieren. Das meiste davon hat gar nichts mit Kinakuta zu tun – es handelt von McGees Erfahrungen während der Kämpfe in Neuguinea und auf den

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