Cryptonomicon
paar dunkelhäutige Männer mit Schnurrbärten herum, die rauchen und mit dem Kapitän des Unterseeboots diskutieren. Nachdem alles entladen ist, scheint der Kapitän sie mit weiteren Kisten aus dem Unterseeboot zu bezahlen. Die Männer stemmen zwei davon zwecks Inspektion auf und scheinen zufrieden zu sein.
Zu diesem Zeitpunkt weiß Shaftoe noch nicht einmal, auf welchem Kontinent sie sich befinden. Beim ersten Blick auf die Landschaft hat er auf Nordafrika getippt. Beim Anblick der Männer auf die Türkei oder etwas in der Art.
Erst als die Sonne über ihrem kleinen Konvoi aufgeht und er (während er auf den Müllsäcken auf der Ladefläche des Lkw liegt und dabei unter der Plane hervorguckt) Straßenschilder und christliche Kirchen sehen kann, wird ihm klar, dass es Italien oder Spanien sein muss. Schließlich sieht er ein Schild, das den Weg nach ROMA weist, und vermutet, dass es sich um Italien handelt. Das Schild zeigt von der späten Vormittagssonne weg, d. h. sie müssen irgendwo südlich oder südöstlich von Rom sein. Außerdem befinden sie sich südlich einer Stadt namens Napoli.
Aber er guckt nicht viel. Man wird nicht gerade dazu ermuntert. Der Lkw wird von einem Kerl gefahren, der die Sprache kann und von Zeit zu Zeit anhält, um sich mit Einheimischen zu unterreden. Manchmal hört es sich nach freundlichem Geplauder an. Manchmal wie eine Auseinandersetzung über richtiges Verhalten im Straßenverkehr. Manchmal ist es auch leiser, vorsichtiger. Nach geraumer Zeit kommt Shaftoe dahinter, daß der Fahrer bei diesen Wortwechseln irgendwen besticht, damit er sie durchlässt.
Er findet es ungeheuerlich, dass in einem Land, das aktiv in den größten Krieg der Geschichte verwickelt ist – einem Land, das von kriegslüsternen Faschisten regiert wird, Herrgott noch mal -, zwei Lkws voller schwer bewaffneter Soldaten, von nichts anderem als ein paar Fünf-Dollar-Planen geschützt, einfach ungehindert herumfahren können. Kriminell! Was ist das eigentlich für ein Saustall hier? Er hat große Lust aufzuspringen, die Plane zur Seite zu reißen und diese Makkaronis nach Strich und Faden zusammenzustauchen. Der ganze Laden hier gehört sowieso mal mit der Zahnbürste auf Vordermann gebracht. Man hat den Eindruck, die Leute geben sich überhaupt keine Mühe. Die Nips dagegen, von denen kann man halten, was man will, aber wenn die einem den Krieg erklären, dann meinen sie’s auch ernst.
Er widersteht derVersuchung, die Italiener zur Schnecke zu machen. Er meint, dass es den Befehlen zuwiderläuft, die er sich gründlich eingeprägt hat, ehe die entsetzliche Erkenntnis, dass er in einem zur Achse gehörenden Land herumfährt, sein Denkvermögen lahm legte. Und wenn diese Befehle nicht aus dem Munde von Colonel Chattan persönlich – dem Kerl, der der befehlshabende Offizier von Abteilung 2702 ist – gekommen wären, hätte er sie sowieso nicht geglaubt.
Sie werden einige Zeit biwakieren. Sie werden eine ganze Weile viel Karten spielen. In dieser Zeit wird der Funker sehr beschäftigt sein. Diese Phase der Operation könnte bis zu einer Woche dauern. Wahrscheinlich werden irgendwann eine Vielzahl von Deutschen und, wenn ihnen an diesem Tag gerade ungestüm zumute ist, Italienern heftige gemeinsame Anstrengungen unternehmen, sie umzubringen. Wenn das passiert, sollen sie einen Funkspruch absetzen, die Bude abfackeln, zu einem bestimmten Acker fahren, der gerade noch als Landepiste durchgeht, und sich dort von den flotten SAS-Fliegern abholen lassen.
Zuerst hat Shaftoe kein Wort davon geglaubt. Er hat es unter britischer Humor abgeheftet, eine Art Scherz bzw. Vernebelungsritual darin vermutet. Überhaupt wird er aus den Briten nicht recht schlau, weil sie (nach seiner Beobachtung) neben den Amerikanern das einzige Volk auf Erden zu sein scheinen, das einen Sinn für Humor besitzt. Er hat Gerüchte gehört, dass das auch für manche Osteuropäer gilt, aber ihm sind noch keine untergekommen, und im Moment haben sie auch nicht viel Anlass zum Frohsinn. Er jedenfalls weiß nie so recht, wann die Briten einen Witz machen.
Jeder Gedanke, dies sei bloß ein Witz, hat sich verflüchtigt, sobald er die Unmenge von Waffen gesehen hat, die man an sie ausgab. Für eine Organisation, die sich in großem Maßstab dem Töten und Indie-Luft-Jagen von Menschen widmet, ist das Militär zum Verzweifeln knauserig, was die Ausgabe von Waffen angeht. Und die meisten, die es ausgibt, sind einen Scheißdreck wert. Deshalb halten es
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