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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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fährt, ist neutral grau und schlank wie ein Messer. Der Teil, der sich normalerweise unter Wasser befindet, wenn das Boot nicht gerade einen großen Felsen gerammt hat, ist breit und schwarz. Das Wrack ist von abenteuerlustigen Royal-Navy-Leuten geentert worden, die frecherweise eine weiße Flagge am Turm gehisst haben. Erreicht haben sie es offenbar in einem Walfangboot mit geringem Tiefgang, das mit einem spärlichen Gewirr von Leinen längsseits daran festgemacht ist und durch außen am Dollbord befestigte, abgefahrene Reifen auf Abstand gehalten wird. Die Korvette mit den Angehörigen von Abteilung 2702 an Bord schiebt sich vorsichtig an das Unterseeboot heran; jede rollende Woge lässt die Schiffe beinahe zusammenprallen.
    »Wir befinden uns hier eindeutig in einem nichteuklidischen Raum!«, sagt Waterhouse boshaft. Chattan beugt sich zu ihm hin und legt eine Hand ans Ohr. »Und er ist außerdem noch echtzeitabhängig, muss also eindeutig in vier, nicht in drei Dimensionen angegangen werden!«
    »Wie bitte?«
    Noch näher und sie laufen selbst auf das Riff auf. Die Matrosen schießen eine richtige Rakete ab, die eine Leine zu dem anderen Boot bringt, und verwenden dann einige Zeit darauf, ein von Schiff zu Schiff führendes Beförderungssystem zu installieren. Waterhouse befürchtet, dass er es wird benutzen müssen. Eigentlich empfindet er eher Verärgerung als Angst, denn er stand unter dem Eindruck, dass man ihn für den Rest des Krieges keiner Gefahr mehr aussetzen wird. Er versucht, Zeit totzuschlagen, indem er die Unterseite des Unterseebootes betrachtet und den Seeleuten zusieht. Sie haben so etwas wie eine Eimerbrigade gebildet, um Bücher und Briefe aus demWrack in den Turm und von da in das Walfangboot zu schleppen. Mit seinen überall hervorstehenden Geschützläufen, Sehrohren und Antennen hat der Turm etwas intrikat Spinnenartiges.
    Waterhouse und Shaftoe werden tatsächlich mithilfe einer Gondelbahn, die an einem gespannten Kabel läuft, zu U-553 hinübergeschickt. In einer Art urkomischer symbolischer Geste ziehen die Matrosen ihnen zunächst Rettungswesten an, sodass sie, falls sie nicht zerschmettert werden, an Unterkühlung sterben anstatt zu ertrinken.
    Als Waterhouse die halbe Strecke hinter sich hat, zieht ein Wellental unter ihm durch und er schaut hinab in den Sog der Höhlung und sieht die Spitze von Cäsars Klippe einen Moment lang frei liegen, bedeckt von einem indigofarbenem Muschelpelz. Man könnte hinuntersteigen und darauf stehen. Dann rauschen Tausende von Tonnen richtig kaltes Wasser in die Höhlung, steigen hoch und klatschen ihn auf den Hintern.
    Er blickt zu U-553 auf, von dem viel zu viel über ihm aufragt. Sein grundlegender Eindruck geht dahin, dass es hohl ist, eher Sieb als Kriegsschiff. Der Rumpf ist von Reihen länglicher Schlitze perforiert, die wie auf das Metall tätowierte Stromlinien zu Wirbelmustern angeordnet sind. Es wirkt ungeheuer zerbrechlich. Dann späht er durch die Schlitze – von weiteren Schlitzen im Deck scheint Licht durch das ganze Boot – und nimmt die Silhouette des im Inneren untergebrachten Druckkörpers wahr, der gewölbt ist und sehr viel solider aussieht als die äußere Hülle. Das Boot hat zwei dreiblättrige Schrauben von einem knappen Meter Durchmesser, die da und dort, vom Kontakt mit wer weiß was, zerbeult sind. Im Augenblick ragen sie in die Luft und bei ihrem Anblick empfindet Waterhouse die gleiche abwegige Verlegenheit, die er in Pearl Harbor beim Anblick Gefallener empfunden hat, deren Geschlechtsteile zu sehen waren. Tiefen- und Steuerruder ragen hinter den Schrauben aus dem Rumpf, und achtern davon, in der Nähe der Spitze des Hinterschiffs, befinden sich zwei schlichte, lukenartige Metallplatten, aus denen, wie Waterhouse klar wird, wohl die Torpedos herauskommen.
    Er legt die letzten sieben Meter mit entsetzlicher Geschwindigkeit zurück und wird von acht kräftigen Händen aufgefangen, an verschiedenen Stellen festgehalten und an einem halbwegs sicheren Platz abgesetzt: unmittelbar achtern des Turms, gleichsam unter ein Fliegerabwehrgeschütz geschmiegt. Weit vorn, auf dem Achterschiff des Bootes, steht ein T-förmiger Ständer mit Kabeln, die von den Enden des Querbalkens straff bis zur Reling des Turms, ganz in der Nähe, gespannt sind. Dem Beispiel eines Royal-Navy-Offiziers folgend, den man offenbar zu seinem Hüter ernannt hat, klettert Waterhouse aufwärts – d. h. in Richtung Achterschiff -, indem er eines dieser

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