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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Kabel als Geländer benutzt, und steigt seinem Führer durch eine Luke im Achterdeck ins Innere des Bootes nach. Shaftoe folgt ein paar Augenblicke später.
    Es ist der schlimmste Ort, den Waterhouse je zu Gesicht bekommen hat. Wie die Korvette, von der er gerade gekommen ist, hebt sich das Boot sanft mit jeder Welle, doch anders als die Korvette kracht es sodann auf die Felsen und wirft ihn beinahe um. Man kommt sich vor, als wäre man in einer Mülltonne eingesperrt, auf die jemand mit einem Vorschlaghammer eindrischt. U-553 ist ungefähr zur Hälfte mit einem kräftigen Gebräu aus billigem Wein, Dieselkraftstoff, Batteriesäure und reinem Abwasser gefüllt. Wegen der Schräglage des Bootes wird diese Suppe, wenn man Richtung Vorschiff geht, rasch tiefer, wälzt sich jedoch jedes Mal, wenn der Mittelteil auf die Felsen herunterknallt, in einer alles durchnässenden Tsunami nach achtern. Glücklicherweise ist Waterhouse über Übelkeit inzwischen weit hinaus und befindet sich in einer Art Transzendentalzustand, in dem sein Geist sich noch mehr als sonst von seinem Körper abgelöst hat.
    Der verantwortliche Offizier wartet, bis der Lärm sich gelegt hat, und sagt dann mit verblüffend ruhiger Stimme: »Gibt es etwas Bestimmtes, was Sie gern inspizieren würden, Sir?«
    Waterhouse versucht nach wie vor, eine Ahnung davon zu bekommen, wo er sich eigentlich befindet, indem er seinen Taschenlampenstrahl herumwandern lässt, was ungefähr so ist, als guckte man durch einen Trinkhalm. Er gewinnt keine synoptische Ansicht von seiner Umgebung, nur flüchtige Blicke auf Röhren und Kabel. Schließlich versucht er es damit, dass er den Kopf ruhig hält und den Lampenstrahl in einer gleichsam kritzelnden Bewegung sehr rasch hin und her bewegt. Es ergibt sich ein Bild: Sie befinden sich in einem schmalen Kriechgang, der offenbar von Ingenieuren für Ingenieure konstruiert worden ist und Zugang zu einigen Tausend Kilometern Röhren und Kabel gewähren soll, die durch eine Art Flaschenhals gezwängt worden sind.
    »Wir suchen nach den Papieren des Skippers«, sagt Waterhouse. Wieder geht das Boot in den freien Fall über. Er lehnt sich an etwas Schlüpfriges, hält sich die Ohren zu, schließt Augen und Mund und atmet durch die Nase aus, damit nichts von der Suppe in seinen Körper eindringt. Das Ding, gegen das er sich lehnt, ist richtig hart, kalt und gerundet. Es ist fettig. Er leuchtet es mit der Lampe an; es besteht aus Messing. Der Lichtkritzel-Trick erzeugt das Bild einer Art Messingraumschiff, das (wenn er sich nicht irrt) unter einer Koje untergebracht ist. Er ist kurz davor, sich mit der Frage, was das ist, bis auf die Knochen zu blamieren, da erkennt er es als Torpedo.
    In der nächsten Stillephase fragt er: »Gibt es so etwas wie eine Privatkabine, wo er vielleicht... <
    »Im Vorschiff«, sagt der Offizier. Das Vorschiff ist keine sehr ermutigende Aussicht.
    »Scheiße«, sagt Sergeant Shaftoe. Es ist seit einer halben Stunde das erste Wort, das er sagt. Er beginnt vorwärts zu platschen und der britische Offizier muss sich beeilen, um ihn einzuholen.Wieder sackt das Deck unter ihren Füßen weg und sie bleiben stehen und drehen sich um, damit die Abwasserwelle sie in den Rücken trifft.
    Sie gehen bergab. Jeder Schritt ist eine offene Schlacht wider Klugheit und vernünftige Einsicht und sie machen eine Menge Schritte. Was Waterhouse als Flaschenhals qualifiziert hat, setzt sich endlos fort – offenbar bis nach vorn zum Bug. Irgendwann stoßen sie auf etwas, das ihnen einen Vorwand liefert, stehen zu bleiben: eine Kabine oder vielleicht (bei zirka eins zwanzig auf eins achtzig) auch nur die Ecke einer Kabine. Es gibt ein Bett, einen kleinen, ausklappbaren Tisch und ein Schränkchen aus richtigem Holz. In Verbindung mit Fotos von Familie und Freunden verleihen sie der Kabine eine gemütliche, häusliche Atmosphäre, die allerdings durch ein gerahmtes Bild von Adolf Hitler an der Wand völlig zunichte gemacht wird. Waterhouse findet das schrecklich geschmacklos, bis ihm wieder einfällt, dass es sich ja um ein deutsches Boot handelt. Das Abwasser schwappt auf mittlerer Fluthöhe schräg durch die Kabine und teilt sie annähernd in zwei Hälften. Überall schwimmen Papiere und anderer Büromüll, beschrieben in der okkulten gotischen Schrift, die Waterhouse mit Rudi assoziiert.
    »Nehmen Sie alles mit«, sagt Waterhouse, doch Shaftoe und der Offizier fahren bereits mit den Armen durch das Gebräu und ziehen sie, in

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