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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Assistenten, als sei das die Erklärung für etwas, was ihnen heftiges Kopfzerbrechen bereitet hat.
    Am gegenüberliegenden Ende des Raums – nicht da, wo die Gäste hereingekommen sind, sondern am anderen Ende – brüllt jemand wild los. Es ist ein Bursche in einem ähnlichen, aber nicht ganz so reich verzierten Aufzug wie dem des Großwesirs. Irgendwann geht er zum Englischen über – mit dem englischen Akzent, mit dem Stewardessen ausländischer Fluglinien sprechen, die ihre Passagiere so oft gebeten haben, die Metallzunge in die Schnalle zu stecken, dass es schließlich in einem einzigen halb verschluckten Gemurmel herauskommt. Kleine Kinakutaner in guten Anzügen beginnen im Gänsemarsch hereinzumarschieren. Sie setzen sich ans Kopfende des Tisches, das breit genug ist für eine Darstellung des Letzten Abendmahls. Dort, wo Jesus sitzen würde, steht ein auffallend großer Sessel. Ein solches Ding würde man bekommen, wenn man zu einem finnischen Designer mit kahlrasiertem Kopf, randloser Brille und einem zweifachen Dr. in Semiotik und Hoch- und Tiefbau ginge, ihm einen Blankoscheck ausstellte und ihn bäte, einen Thron zu entwerfen. Dahinter steht ein Extratisch für Trabanten. Den Hintergrund bildet ein tonnenschweres unbezahlbares Kunstwerk: ein zerfressenes, aus irgendeiner Dschungelruine entferntes Fries.
    Alle Gäste streben instinktiv ihren Plätzen rund um den Tisch zu und bleiben dort stehen. Der Großwesir funkelt sie alle der Reihe nach an. Ein kleiner Mann schlüpft herein, starrt mit leerem Blick vor sich auf den Boden und scheint die Anwesenheit der anderen Leute im Raum gar nicht zu bemerken. Sein Haar ist mit Haarspray an den Kopf geklebt, der Eindruck von Korpulenz durch die Kunstfertigkeit eines Schneiders aus der Savile Row stark abgemildert. Er lässt sich behutsam in dem großen Sessel nieder, was wie ein grober Verstoß gegen die Etikette wirkt, bis Randy klar wird, dass er der Sultan ist.
    Plötzlich setzen sich alle hin. Randy zieht seinen Sessel zurück und lässt sich hineinfallen. Die lederne Tiefe verschluckt seinen Hintern wie der Fanghandschuh des Catchers den Baseball. Eigentlich würde er gern seinen Laptop aus der Tasche ziehen, aber in diesem Rahmen haben sowohl die Nylontasche als auch der Plastikcomputer den grellen Charme eines Billigprodukts. Außerdem muss er dem schülerhaften Drang, ständig Notizen zu machen, widerstehen. Avi hat ja selbst gesagt, bei diesem Meeting würde nichts passieren; die ganzen wichtigen Dinge würden sich zwischen den Zeilen abspielen.Und dann ist da noch die Sache mit dem Van-Eck-Phreaking, die Cantrell vermutlich nur erwähnt hat, um Harvard Li aus der Fassung zu bringen, die Randy aber auch ein bisschen nervös gemacht hat. Er entscheidet sich für einen Millimeterpapierblock – die Antwort des Ingenieurs auf das genormte gelbe Linienpapier – und einen Einwegkugelschreiber mit feiner Spitze.
    Der Sultan spricht ein Oxford-Englisch, dem man anmerkt, dass er noch Spuren von Knoblauch und Paprika zwischen den Zähnen hängen hat. Er redet ungefähr fünfzehn Minuten lang.
    Der Raum enthält ein paar Dutzend lebendige menschliche Körper, jeder von ihnen ein großer Sack mit Eingeweiden und Flüssigkeiten, die so stark komprimiert sind, dass es über mehrere Meter heraussprudeln würde, wenn man sie anstäche. Jeder ist um ein Gerüst aus 206 Knochen herumgebaut; diese sind durch bekanntermaßen fehleranfällige Gelenke miteinander verbunden, die, wenn sie sich nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand befinden, unangenehme Knack-, Knirsch- und Klappergeräusche von sich geben. Diese Konstruktion ist umhüllt von pulsierenden Steaks, aufgebläht von sich rhythmisch zusammenziehenden Luftsäcken und durchbohrt von einem gordischen Gewirr aus Abwasserrohren mit plätschernder Säure und komprimiertem Gas und einem Morast aus widerlichen Enzymen und Lösungsmitteln, produziert von den vielen dunklen, angegangenen Brocken genetisch programmierten Fleisches, die über seine gesamte Länge verteilt sind. Sich auflösende Essensportionen werden durch periodische Krämpfe in diesem glitschigen Labyrinth nach unten befördert, wo sie in gasförmige, flüssige und feste Stoffe zerfallen, die alle regelmäßig in die Außenwelt abgeführt werden müssen, will der Besitzer nicht an seinem eigenen Giftmüll krepieren. Kugelförmige, von Gel umgebene Kameras drehen sich in Kugelgelenken mit Schleimschmierung. Endlose Wimpernfrontreihen wehren

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