Cryptonomicon
Auf seiner Ladefläche bläht sich ein aus gummierter Leinwand bestehender Ballon voller Erdgas.
Waterhouse befindet sich im dritten Stock eines derart nichts sagenden Geschäftsgebäudes, dass die Tatsache, dass es vier Stockwerke hat, noch die interessanteste Beobachtung ist, die man darüber anstellen kann. Das Erdgeschoss beherbergt einen Tabakladen. Der Rest des Gebäudes muss leer gestanden haben, bis Der General – von den Nips nach Strich und Faden verprügelt – aus Corregidor nach Brisbane gekommen ist und die Stadt zur Kapitale des Kriegsschauplatzes Südwestlicher Pazifik gemacht hat. Es muss hier unglaublich viel überschüssigen Büroraum gegeben haben, ehe Der General auftauchte, denn viele Einwohner Brisbanes sind in Erwartung einer Invasion nach Süden geflohen.
Waterhouse hat reichlich Zeit, sich mit Brisbane und Umgebung vertraut zu machen. Er ist seit vier Wochen hier, und man hat ihm nichts zu tun gegeben. Als er noch in England war, konnte man ihn gar nicht oft genug von da nach dort weiterreichen. Worin sein jeweiliger Job auch bestand, er hat ihn in fieberhafter Eile getan – bis er streng geheime Befehle von höchster Priorität erhielt, sich unter Nutzung sämtlicher verfügbarer Transportmittel schleunigst zu seinem nächsten Einsatzort zu begeben.
Dann hat man ihn hierher gebracht. Die Navy hat ihn, in Etappen von einem Insel-Stützpunkt zum nächsten, mit einem Sortiment von Flugbooten und Transportmaschinen über den Pazifik geflogen. Er hat am selben Tag den Äquator und die internationale Datumsgrenze überflogen. Doch als er die Grenze zwischen Nimitz’ Pazifischem und dem Südwest-Pazifischen Kriegsschauplatz des Generals erreichte, war es, als wäre er gegen eine Steinmauer gelaufen. Er musste sich den Mund fusselig reden, um an Bord eines Truppentransporters nach Neuseeland und von da nach Freemantle zu kommen. Die Transporter waren geradezu unglaublich höllisch: mit Männern voll gestopfte und von der Sonne aufgeheizte Stahlöfen, in denen niemand an Deck durfte, damit sie nicht von einem japanischen Unterseeboot gesichtet und zum Abschlachten vorgemerkt wurden. Nicht einmal nachts konnten sie ein Lüftchen hereinlassen, denn sämtliche Öffnungen mussten mit Verdunkelungsvorhängen abgedeckt werden. Im Grunde konnte sich Waterhouse nicht beschweren. Einige der Männer waren den ganzen Weg von der Ostküste der Vereinigten Staaten bis hierher so unterwegs gewesen.
Wichtig war, dass er es befehlsgemäß bis Brisbane schaffte und sich beim richtigen Offizier meldete, der ihn anwies, weitere Befehle abzuwarten. Was er bis heute Morgen, als man ihn aufforderte, sich in diesem Büro über dem Tabakladen zu melden, auch getan hat. Nach Waterhouses Erfahrungen beim Militär ist es kein gutes Zeichen, wenn man Befehl bekommt, sich an einem solchen Ort zu melden.
Schließlich wird er zu einem Major der Army vorgelassen, der gleichzeitig mehrere andere Gespräche führt und verschiedene Schreibarbeiten erledigt. Das ist okay; Waterhouse bräuchte kein Kryptoanalytiker zu sein, um die Botschaft, dass er hier nicht erwünscht ist, laut und deutlich mitzukriegen.
»Marshall hat Sie hergeschickt, weil er meint, Der General geht mit Ultra schlampig um«, sagt der Major.
Waterhouse zuckt zusammen, als er das Wort laut ausgesprochen hört, und das in einem Büro, in dem einfache Soldaten und weibliche Freiwillige ein und aus gehen. Es kommt ihm beinahe so vor, als wolle der Major deutlich machen, dass Der General in der Tat ziemlich schlampig mit Ultra umgeht und sich ganz wohl dabei fühlt, danke der Nachfrage.
»Marshall hat Schiss, dass die Nips uns draufkommen und ihre Codes ändern. Daran ist bloß Churchill schuld.« Der Major spricht von General George C. Marshall und Sir Winston Churchill, als handelte es sich um Reservespieler einer zweitklassigen Baseball-Mannschaft. Er hält inne, um sich eine Zigarette anzuzünden. »Ultra ist Churchills Baby. Klar, Winnie ist ganz hin und weg von Ultra. Er meint, wir posaunen sein Geheimnis aus und vermasseln es ihm, weil wir in seinen Augen Idioten sind.« Der Major macht einen tiefen Lungenzug, lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und bläst mit Bedacht zwei Rauchringe. Das Ganze ist eine überzeugende Zurschaustellung von Unbekümmertheit. »Deswegen liegt er Marshall andauernd von wegen Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in den Ohren, und Marshall wirft ihm ab und zu einen Knochen hin, bloß um die Allianz schön im Lot zu
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