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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ich Ihnen verschweigen müsste.«
    Doug starrt ihn eine Zeitlang zerstreut an und wendet sich dann dem mittlerweile offenen Aluminiumkoffer aus dem Unterseeboot zu. Schon allein ihn zu öffnen, vermutet Randy, hat die Erstellung eines detaillierten Plans erforderlich gemacht. Doug hat diverse Stücke daraus auf einer Tischplatte ausgebreitet, um sie zu fotografieren und zu katalogisieren. Douglas MacArthur Shaftoe, ehemaliger Angehöriger einer Marine-Spezialeinheit, ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere so etwas wie ein Bibliothekar geworden.
    Randy sieht eine Goldrandbrille, einen Füllfederhalter, ein paar verrostete Büroklammern. Anscheinend aber hat der Koffer auch eine Menge durchweichtes Papier enthalten, und dieses Papier hat Doug Shaftoe sorgfältig getrocknet und zu lesen versucht. »Während des Krieges war das meiste Papier Schrott«, sagt er. »Wahrscheinlich hat es sich schon wenige Tage nach dem Untergang in Brei aufgelöst. Das Papier in dem Koffer hier war wenigstens vor Meereslebewesen geschützt, ist aber trotzdem größtenteils hinüber. Allerdings war der Besitzer des Aktenkoffers offenbar so was wie ein Aristokrat. Sehen Sie sich mal die Brille und den Füller an.«
    Randy sieht sie sich an. Die Taucher haben in dem Wrack Zähne und Plomben gefunden, jedoch nichts, was als Leiche in Frage kommt. Wie die Trümmerfährte einer explodierten Verkehrsmaschine markieren solche Spuren aus widerstandsfähigen, unbeweglichen Überresten die Stellen, wo Menschen ums Leben gekommen sind.
    »Worauf ich hinaus will, ist, dass er auch ein paar Blatt gutes Papier in seinem Aktenkoffer hatte«, fährt Doug fort. »Persönliches Briefpapier. Deshalb vermuten wir, dass er Rudolf von Hacklheber hieß. Sagt Ihnen der Name irgendwas?«
    »Nein. Aber ich könnte eine Web-Suche starten...«
    »Hab ich schon«, sagt Doug. »Und auch ein paar Treffer gekriegt. In den Dreißigerjahren hat ein Mann, der so hieß, ein paar mathematische Abhandlungen verfasst. Und es gibt in und um Leipzig in Deutschland ein paar Unternehmen, die den Namen tragen: ein Hotel, ein Theater, eine eingegangene Versicherung. Und das war’s auch schon so ziemlich.«
    »Na ja, wenn er Mathematiker war, hat er vielleicht mit meinem Großvater zu tun gehabt. Haben Sie deshalb nach meiner Familie gefragt?«
    »Sehen Sie sich das mal an«, sagt Doug und schnickt mit dem Fingernagel an eine Glasschale, die eine durchsichtige Flüssigkeit enthält. Darin schwimmt ein Umschlag, entleimt und auseinander gespreizt. Randy beugt sich vor und betrachtet ihn. Irgendetwas steht mit Bleistift auf der Rückseite, aber es lässt sich nicht lesen, weil die Klappen des Umschlags auseinander gefaltet worden sind. »Darf ich?«, fragt er. Doug nickt und reicht ihm ein Paar chirurgische Handschuhe. »Dafür muss ich ja wohl keinen Tauchplan einreichen, oder?«, fragt Randy und streift sich die Handschuhe über.
    Doug findet das nicht komisch. »Es hat mehr Tiefe, als Sie denken«, sagt er.
    Randy dreht den Umschlag herum, faltet die Klappen nach innen und fügt so die Aufschrift wieder zusammen. Sie lautet:
    WATERHOUSE
    LAVENDER ROSE.

Brisbane
    Durch ein kleines, staubiges Fenster, das ein Kreuz aus Kreppband trägt, schaut Lawrence Pritchard Waterhouse auf die Innenstadt von Brisbane. Voller Leben ist sie nicht gerade. Ein Taxi schleicht die Straße hinunter und biegt in die Einfahrt des nahe gelegenen Canberra Hotel,Wohnstatt vieler Offiziere mittleren Ranges, ein. Das Taxi qualmt und stinkt – es wird von einem Kohlenbrenner im Kofferraum angetrieben. Durchs Fenster ist das Geräusch marschierender Füße zu hören. Es ist nicht das Getrampel von Kampfstiefeln, sondern das Klacken vernünftiger Schuhe, getragen von vernünftigen Frauen: einheimischen Freiwilligen. Waterhouse beugt sich instinktiv näher ans Fenster, um sie genauer zu betrachten, aber er verschwendet seine Zeit. In diesen Uniformen könnte man ein Regiment Pin-up-Girls durch sämtliche Kabinen und Gangways eines im Einsatz befindlichen Schlachtschiffs marschieren lassen, ohne dass es zu einem einzigen Pfiff, anzüglichen Antrag oder Hinterngrapschen käme.
    Aus einer Seitenstraße kommt ein Lieferwagen gekrochen, der beim Einfahren in die Hauptstraße beschleunigt und dabei beunruhigende Fehlzündungen von sich gibt. Brisbane macht sich immer noch Sorgen über Angriffe aus der Luft und niemand mag plötzliche laute Geräusche. Der Lastwagen sieht aus, als würde er von einer Amöbe attackiert:

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