Cryptonomicon
haben.«
Erneut Rauchringe.Waterhouse weiß nichts zu sagen. Also fährt der Major fort. »Sehen Sie, wir haben in diesem Krieg die Wasserscheide überschritten. Wir haben Midway gewonnen. Wir haben Nordafrika gewonnen. Stalingrad. Die Schlacht im Atlantik. Alles wird anders, wenn man die Wasserscheide überschreitet. Die Flüsse fließen allesamt in eine andere Richtung. Es ist, als hätte sich sogar die Schwerkraft verändert und wirkte nun zu unseren Gunsten. Wir haben uns dem angepasst. Marshall und Churchill und all die anderen sind noch immer einer überholten Denkweise verhaftet. Sie sind Verteidiger. Aber Der General ist kein Verteidiger. Unter uns gesagt, ist er in Verteidigung geradezu miserabel, was er auf den Philippinen ja auch demonstriert hat. Der General ist ein Eroberer.«
»Tja«, sagt Waterhouse schließlich, »was soll ich Ihrer Ansicht nach denn nun mit mir anfangen, wo ich schon mal in Brisbane bin?«
»Ich bin versucht zu sagen, Sie sollten sich mit all den anderen Ultra-Sicherheitsexperten zusammentun, die Marshall vor Ihnen hierher geschickt hat, und eine Bridge-Gruppe auf die Beine stellen«, sagt der Major.
»Ich mache mir nichts aus Bridge«, sagt Waterhouse höflich.
»Angeblich sind Sie doch so ein erfahrener Codeknacker, richtig?«
»Richtig.«
»Gehen Sie doch einfach ins Central Bureau. Die Nips haben hunderttausend verschiedene Codes und noch haben wir nicht alle geknackt.«
»Das ist nicht mein Auftrag.«
»Um Ihren Scheißauftrag machen Sie sich mal keine Gedanken«, sagt der Major. »Ich werde dafür sorgen, dass Marshall denkt, Sie führen Ihren Auftrag aus, denn wenn er das nicht denkt, wird er ein Riesentheater machen. Bei den höheren Tieren sind Sie also aus dem Schneider.«
»Danke.«
»Sie können Ihren Auftrag als abgeschlossen betrachten«, sagt der Major. »Glückwunsch.«
»Danke.«
»Mein Auftrag besteht darin, den Scheißnips was auf die Hörner zu geben und dieser Auftrag ist noch nicht ganz abgeschlossen, deswegen muss ich mich jetzt um andere Angelegenheiten kümmern«, sagt der Major angelegentlich.
»Mit anderen Worten, ich soll mich entfernen«, sagt Waterhouse.
Dönitz
Einmal, als Bobby Shaftoe acht Jahre alt war, ging er Grandma und Grandpa in Tennessee besuchen. Eines langweiligen Nachmittags begann er, einen Brief zu überfliegen, den die alte Dame auf einem Beistelltisch hatte liegen lassen. Grandma hielt ihm eine Standpauke und erzählte den Vorfall Grandpa, der sein Stichwort aufnahm und ihm vierzig Hiebe verabreichte. Diese und eine Reihe anderer, grob vergleichbarer Kindheitserfahrungen nebst mehreren Jahren im Marine Corps haben ihn zu einem überaus höflichen Menschen gemacht.
Also liest er nicht anderer Leute Post. Das tut man nicht.
Doch nun ist er hier. Der Schauplatz: ein mit Brettern vertäfeltes Zimmer über einem Lokal in Norrsbruck, Schweden. Das Lokal ist eine Art Seemannskneipe, die von Fischern frequentiert wird, und ist daher für Shaftoes Freund und Saufkumpan Kapitänleutnant Günter Bischoff, Kriegsmarine des Dritten Reiches (im Ruhestand), genau das Richtige.
Bischoff kriegt einen Haufen interessante Post und lässt sie überall im Zimmer herumliegen. Teils kommt sie von seiner Familie in Deutschland und enthält Geld. Infolgedessen wird Bischoff im Gegensatz zu Shaftoe auch dann nicht arbeiten müssen, wenn der Krieg weitergeht, und kann noch zehn Jahre in Schweden bleiben und seine Kessel kühlen.
Ein Teil der Post kommt laut Bischoff von der Mannschaft von U- 691. Nachdem Bischoff sie alle in einem Stück hierher nach Norrsbruck gebracht hat, traf sein Stellvertreter, Oberleutnant zur See Karl Beck, eine Vereinbarung mit der Kriegsmarine, derzufolge die Mannschaft nach Deutschland zurückkehren durfte, ohne mit Vorwürfen oder Konsequenzen rechnen zu müssen. Bis auf Bischoff gingen sie alle an Bord dessen, was von U-691 noch übrig war, und dampften in Richtung Kiel ab. Nur Tage später begann in Strömen Post einzutreffen. Ausnahmslos jeder Angehörige der Mannschaft schickte Bischoff einen Brief, worin er den Heldenempfang schilderte, den man ihnen bereitet hatte. Dönitz persönlich habe sie an der Pier willkommen geheißen und in beschämender Fülle mit Umarmungen, Küssen, Orden und anderen Gesten guten Willens bedacht. Sie können gar nicht mehr aufhören, davon zu reden, wie sehr sie sich wünschen, der liebe Günter käme wieder nach Hause.
Der liebe Günter bleibt stur; mittlerweile sitzt er schon
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