Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
halten.« Zum ersten Mal schaut der Major Waterhouse in die Augen. »Sie sind zufällig der neueste Knochen. Das ist alles.«
    Ein langes Schweigen tritt ein, als erwarte man von Waterhouse, dass er etwas sagt. Er räuspert sich. Es ist noch niemand vors Kriegsgericht gekommen, weil er seine Befehle befolgt hat. »Meine Befehle lauten, dass -«
    »Auf Ihre Befehle ist geschissen, Captain Waterhouse«, sagt der Major.
    Erneut tritt langes Schweigen ein. Der Major wendet sich kurzfristig ein, zwei anderen Aufgaben zu. Dann starrt er ein paar Augenblicke lang zum Fenster hinaus, als wolle er seine Gedanken sammeln. Schließlich sagt er: »Nehmen Sie Folgendes zur Kenntnis. Wir sind keine Idioten. Der General ist kein Idiot. Der General weiß Ultra ebenso sehr zu schätzen wie Winston Churchill. Der General nutzt Ultra genauso wie jeder andere Befehlshaber in diesem Krieg.«
    »Ultra nützt nichts mehr, wenn die Japaner davon erfahren.«
    »Wie Sie sicher nachvollziehen können, hat Der General keine Zeit, sich persönlich mit Ihnen zu treffen. Sein Stab auch nicht. Sie werden also keine Gelegenheit haben, ihn darüber zu belehren, wie Ultra geheim zu halten ist«, sagt der Major. Er blickt mehrmals auf ein Blatt Papier auf seiner Löschunterlage und spricht nun auch wie jemand, der eine vorbereitete Erklärung abliest. »Seit wir erfahren haben, dass man Sie zu uns schickt, wurde Der General von Zeit zu Zeit darauf aufmerksam gemacht, dass es Sie gibt. In den kurzen Momenten, in denen er nicht mit dringenderen Angelegenheiten befasst war, hat er sich gelegentlich mit markigen Worten über Sie, Ihren Auftrag und die Köpfe, die Sie hierher geschickt haben, geäußert.«
    »Zweifelsohne«, sagt Waterhouse.
    »Der General ist der Meinung, dass Personen, die nicht mit den Besonderheiten des Südwestpazifischen Kriegsschauplatzes vertraut sind, seine Strategie vielleicht nicht sachkundig beurteilen können«, sagt der Major. »Der General meint, dass die Nips niemals von Ultra erfahren werden. Niemals. Warum? Weil sie unfähig sind zu begreifen, was ihnen passiert ist. Der General hat die Vermutung angestellt, dass er morgen zum Rundfunksender gehen und in einer Rede verkünden könnte, dass wir sämtliche japanischen Codes geknackt haben und alle ihre Funksprüche lesen könnten, und es würde trotzdem nichts passieren. Sinngemäß hat sich der General dahingehend geäußert, dass die Nips niemals glauben werden, wie gründlich wir sie verarscht haben, denn wenn man so übel verarscht wird, ist man selber dran schuld und steht da wie das letzte Arschloch.«
    »Ich verstehe«, sagt Waterhouse.
    »Aber Der General hat das alles viel ausführlicher und ohne einen einzigen Kraftausdruck gesagt, denn so drückt sich der General nun mal aus.«
    »Danke für Ihre Zusammenfassung«, sagt Waterhouse.
    »Kennen Sie diese weißen Stirnbänder, die sich die Nips um den Kopf binden? Mit dem Fleischklops und den japanischen Schriftzeichen drauf?«
    »Ich habe Bilder davon gesehen.«
    »Ich habe sie in der Wirklichkeit gesehen, und zwar bei japanischen Kampfpiloten, die mich und meine Männer aus knapp zwanzig Metern Entfernung mit Maschinengewehren beschossen haben.«
    »Ja, richtig! Ich auch. In Pearl Harbor«, sagt Waterhouse. »Das hatte ich ganz vergessen.«
    Das ist offenbar die irritierendste Bemerkung, die Waterhouse den ganzen Tag gemacht hat. Der Major braucht einen Moment, um die Fassung wiederzugewinnen. »Dieses Stirnband nennt man hachimaki.«
    »Aha.«
    »Stellen Sie sich Folgendes vor,Waterhouse. Der Kaiser kommt mit seinem Generalstab zusammen. Sämtliche Spitzengenerale und -admirale Japans ziehen in vollem Wichs in den Saal ein und verbeugen sich feierlich vor dem Kaiser. Sie sind gekommen, um über Fortschritte im Krieg zu berichten. Jeder von diesen Generalen und Admiralen hat sich ein nagelneues hachimaki um den Kopf gebunden. Diese hachimakis sind bedruckt mit Sätzen wie etwa ›Ich bin ein Volltrottel‹ und ›Durch meine persönliche Unfähigkeit sind zweihunderttausend unserer Soldaten ums Leben gekommen‹ und ›Ich habe Nimitz unsere Pläne für Midway auf einem silbernen Tablett serviert‹.«
    Nun hält der Major inne und nimmt einen Anruf entgegen, sodass Waterhouse das eben geschilderte Bild eine Zeit lang auskosten kann. Dann legt der Major auf, zündet sich erneut eine Zigarette an und fährt fort. »So sähe es für die Nips aus, zu diesem Zeitpunkt des Krieges zuzugeben, dass wir Ultra

Weitere Kostenlose Bücher