Cryptonomicon
gewesen sein.«
»Mein Dad hat ihn ihnen abgeschwatzt.«
»Ja!« sagt Onkel Red, der gerade aus dem Gebiet der hohen x -Werte zurückkehrt, vergnügt. »Dieser Mann ist ein sagenhafter Spendenakquisiteur.«
»Er muss etwas Überzeugendes an sich haben, wofür mir das Sensorium fehlt; jedenfalls habe ich noch nichts davon bemerkt«, sagt Tante Nina und geht neugierig auf ein par große Kartons zu.
»Nein«, sagt Randy, »es ist eher so, dass er einfach reinmarschiert und so lange auf dem Konferenztisch rumzappelt, bis sie seinetwegen so verlegen sind, dass sie einwilligen, den Scheck zu unterschreiben.«
»Hast du das mal miterlebt?«, fragt Tante Nina skeptisch, während sie eine Kiste mit der Aufschrift EINZELTEILE AUS OBEREM WÄSCHESCHRANK taxiert.
»Davon gehört. Hightech ist eine Kleinstadt«, erwidert Randy.
»Er hat es geschafft, aus der Arbeit seines Vaters großes Kapital zu schlagen«, sagt Onkel Red. »Wenn mein Vater auch nur eine seiner Computererfindungen hätte patentieren lassen, wäre Palouse College größer als Harvard und so weiter.«
Mittlerweile hat Tante Nina die Kiste aufgekriegt. Sie ist fast vollständig mit einer einzigen qwlghmianischen Decke in einem dunkelgräulichbraun auf dunkelbräunlichgrauen Karomuster ausgefüllt. Diese Decke ist zwei bis drei Zentimeter dick und war bei den winterlichen Familienzusammenkünften unter den Waterhouse-Enkeln berüchtigt als eine Art Scherzpreis für den Letzten. Der Geruch von Mottenkugeln, Schimmel und stark eingeölter Wolle lässt Tante Nina die Nase rümpfen, so wie vor ihr bereits Tante Annie. Randy fällt wieder ein, wie er sich mit ungefähr neun Jahren einmal unter dieser Decke schlafen gelegt hatte und um zwei Uhr morgens mit Bronchialspasmen, Überhitzung und vagen Erinnerungen an einen Albtraum, in dem er bei lebendigem Leib begraben wurde, erwachte.Tante Nina schlägt die Klappen der Kiste zu, dreht sich um und schaut in Richtung des Impala. Robin Shaftoe rennt bereits auf sie zu. Da er selbst nicht schlecht in Mathe ist, hat er das ganze Konzept schnell begriffen und weiß aus Erfahrung, dass die Decken-Kiste weit in den (-x,-y) Bereich hinausgeschleppt werden muss.
»Ich glaube, ich habe einfach Angst«, sagt Tante Nina, »dass meine Präferenzen von diesem Supercomputer nicht vermittelt werden. Ich habe versucht klarzumachen, was ich will. Wird der Computer das aber auch verstehen?« Auf eine Weise, die Randy Tantalusqualen bereitet, hält sie bei der KERAMIK-Kiste inne, in die er schrecklich gerne einen Blick werfen würde; andererseits will er jedoch keinen Verdacht erregen. Er ist der Unparteiische und auf Objektivität eingeschworen. »Vergiss das Porzellan«, sagt sie, »etwas für alte Damen.«
Onkel Red kommt herüber und verschwindet hinter einem der ausrangierten Autos, vermutlich um zu pinkeln. Tante Nina fragt: »Was ist denn mit dir, Randy? Als ältester Sohn des ältesten Sohns musst du in dieser Sache doch auch irgendwelche Empfindungen haben.«
»Wenn meine Eltern an der Reihe sind, werden sie mir ganz bestimmt etwas von Grandmas und Grandpas Erbe vermachen«, sagt Randy.
»Oh, sehr vorsichtig. Gut formuliert«, sagt Tante Nina. »Aber für dich als einzigen Enkel, der überhaupt irgendwelche Erinnerungen an seinen Großvater hat, muss es hier doch irgendetwas geben, was du gerne hättest.«
»Es wird sicher ein paar Kleinigkeiten geben, die niemand haben will«, entgegnet Randy. Dann richtet er wie ein nahezu perfekter Trottel – wie ein Organismus, der genetisch darauf ausgelegt ist, einen völlig schwachsinnigen Idioten abzugeben – seinen Blick direkt auf den Schrankkoffer. Und versucht es gleich darauf zu verbergen, sodass es nur noch mehr auffällt. Er vermutet, dass sein weitgehend bartloses Gesicht ein offenes Buch sein muss und wünscht, er hätte sich nie rasiert. Eine Eiskugel trifft ihn mit einem fast hörbaren Plopp auf die Hornhaut des rechten Auges. Die ballistische Wucht blendet ihn und der Temperaturschock verursacht einen Eiskremkopfschmerz. Als er sich so weit erholt hat, dass er wieder sehen kann, geht Tante Nina gerade um den Schrankkoffer herum, indem sie ihn gleichsam spiralförmig in einer immer kleiner werdenden Umlaufbahn umkreist. »Hmm. Was ist denn da drin?« Sie packt den Griff an einem Ende und stellt fest, dass sie ihn kaum vom Boden hochheben kann.
»Alte japanische Kodebücher. Bündel von ETC-Karten.«
»Marcus?«
»Ja, Ma’am!«, sagt Marcus Aurelius Shaftoe, der vom
Weitere Kostenlose Bücher