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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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langweilig, dass es schon vermessen wäre, sie zum Besten zu geben, vor allem, wenn vorher jemand ein wirklich schockierendes oder grausiges Familiengeheimnis gelüftet hat.
    Wie er aber jetzt so dasteht und die Luftstrudel beobachtet, fängt er an nachzudenken. Die feste Überzeugung mancher Leute, die da lautet: »Ich rauche/bin übergewichtig/bin ein Ekel/bin depressiv, weil meine Mom an Krebs gestorben ist/mein Onkel mir seinen Daumen in den Hintern gesteckt/mein Dad mich mit einem Streichriemen geschlagen hat«, erscheint Randy doch allzu deterministisch; sie scheint eine Art träger oder schwachsinniger Hingabe an eine armselige Teleologie widerzuspiegeln. Im Grunde hat man, wenn jeder aus einem ureigenen Interesse heraus glaubt, dass er alles versteht, oder auch nur, dass die Menschen im Prinzip in der Lage sind, alles zu verstehen (entweder weil dieser Glaube ihre Unsicherheit über die unberechenbare Welt dämpft oder ihnen das Gefühl gibt, intelligenter zu sein als andere oder beides) eine Umgebung, in dem benebeltes, reduktionistisches, naives, glattes, oberflächliches Denken kursieren kann wie Schubkarren voll inflationärem Geld auf den Märkten von Jakarta.
    Doch dass beispielsweise das ausgediente Auto irgendeines Studenten imstande ist, massenweise sich wiederholende Muster aus fingerhutgroßen Luftsäulen zu erzeugen, die hundert Meter mit dem Wind wirbeln, scheint eher für eine behutsamere Betrachtung der Welt, eine aufgeschlossene Haltung gegenüber der ganzen Absonderlichkeit des Universums und das Eingeständnis der Begrenztheit unserer menschlichen Möglichkeiten zu sprechen. Und wenn man an dem Punkt angelangt ist, kann man argumentieren, dass die Tatsache, dass man in einer Familie aufgewachsen ist, in der es keine gewaltigen, ins Auge stechenden psychologischen Urkräfte gibt und deren Leben statt von ein oder zwei Hämmern (z. B. der aktiven Mitgliedschaft in der Church of Satan) von vielen subtilen, ja sogar vergessenen Einflüssen geprägt ist, sich später, wenn der Wind einen weit fortgetragen hat, auf eine Weise auswirken kann, die nicht ganz uninteressant ist. Randy hofft, hat aber gleichzeitig große Zweifel daran, dass America Shaftoe, die da oben im algenfarbenen Licht Berichte über die unbeabsichtigte Ausrottung der Cayuse liest, es genauso sieht.
    Randy gesellt sich wieder zu seiner Tante am Ursprung. Onkel Red hat ihr gerade in etwas gönnerhaftem Ton erklärt, dass sie bei der Verteilung der Gegenstände auf der ökonomischen Skala ganz genau aufpassen müssen, und für diese Mühe ist er mitsamt dem silbernen Teeservice auf einen langen, einsamen Gang die + x -Achse entlang geschickt worden. »Warum hätten wir nicht einfach drin bleiben und das alles auf Papier austüfteln können?«, fragt Tante Nina.
    »Man war der Meinung, das physische Herumtragen dieser Sachen sei wichtig, weil es den Leuten eine direkte körperliche Entsprechung der von ihnen angesetzten Werte liefert«, sagt Randy. »Außerdem hielt man es für sinnvoll, das ganze Zeug buchstäblich im kalten Tageslicht zu begutachten.« Statt dass zehn oder zwölf gefühlsmäßig angespannte Leute mit Taschenlampen in einem bis zur Decke voll gepackten U-Stor-It-Lagerraumn herumklettern und aus der Deckung der Schränke heraus aufeinander schießen.
    »Und wenn wir alle unsere Auswahl getroffen haben, was dann? Setzt du dich dann hin und rechnest es mit einem Tabellenkalkulationsprogramm aus oder was?«
    »Das ist computertechnisch gesehen viel zu aufwendig, um es auf diesem Weg zu lösen. Vermutlich ist ein Entwicklungsalgorithmus notwendig – eine mathematisch exakte Lösung wird es wahrscheinlich gar nicht geben. Mein Vater kennt einen Forscher in Genf, der an ähnlichen Problemen wie diesem gearbeitet hat, und hat ihm gestern Abend eine E-Mail geschickt. Mit etwas Glück werden wir per FTP geeignete Software bekommen und sie auf dem Tera zum Laufen bringen.«
    »Dem Terror?«
    »Tera. Wie in Teraflops.«
    »Das hilft mir auch nicht weiter. Wenn du schon ›wie in‹ sagst, solltest du mir auch etwas Vertrauteres nennen, etwas, was ich kenne.«
    »Das ist einer der zehn schnellsten Computer auf dem Planeten. Siehst du das rote Backsteingebäude gleich rechts vom Ende der y -Achse«, erklärt Randy und zeigt den Hügel hinunter, »direkt hinter der neuen Turnhalle?«
    »Das mit den ganzen Antennen?«
    »Ja. Da ist der Tera drin. Er ist von einer Firma in Seattle hergestellt worden.«
    »Der muss ja sehr teuer

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