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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Shaftoe-Jungs sind bereit, auf ein Fingerschnippen hin Möbel zu schultern, aber Randy muss hier gewissermaßen ein bisschen Revier markieren, um anzudeuten, dass er selbst durchaus nicht ohne männliche Attribute ist, und so trägt er schließlich mehr Möbelstücke, als er vermutlich müsste.Wieder am Ursprung angekommen, hört er, wie Red und Nina loslegen. »Ich habe ein Problem damit«, sagt Nina. »Was hindert sie daran, einfach alles am äußersten Punkt der y -Achse abzustellen – mit der Behauptung, ihr sei einfach alles gefühlsmäßig schrecklich wichtig?« Sie kann in diesem Fall nur Tante Rachel,Toms Frau, bedeuten. Rachel ist eine multiethnische Städterin von der Ostküste, die nicht mit der obligatorischen Waterhouseschen Zurückhaltung gesegnet oder geschlagen ist und deshalb immer als eine Art lebendige Inkarnation der Habgier betrachtet wurde, ein alles einsaugender Schlund, der nie satt wird. Die größte anzunehmende Katastrophe träte ein, wenn Rachel schließlich mit allem nach Hause ginge – dem großen Klavier, dem Silber, dem Porzellan und der Gomer-Bolstrood-Esszimmergarnitur. Daher die Notwendigkeit ausgefeilter Regeln und Rituale und eines Systems der Beuteaufteilung, dessen Fairness sich auf mathematischem Wege nachweisen lässt.
    »An dieser Stelle kommen τ e und τ $ ins Spiel«, sagt Onkel Red besänftigend.

    »Alle unsere Entscheidungen werden mathematisch skaliert, so dass sie auf der emotionalen wie auf der finanziellen Skala auf denselben Gesamtwert kommen. Wenn also jemand alles in einer äußeren Ecke anhäuft, wird es nach der Skalierung so sein, als hätte er überhaupt keine Vorlieben zum Ausdruck gebracht.«
    Randy nähert sich dem Impala mit seinen beschlagenen Fenstern. An einer der Türen löst sich mit einem knackenden Geräusch das betagte Dichtungsgummi vom Stahl. Robin Shaftoe kommt zum Vorschein, haucht in seine gewölbten Hände und nimmt eine Rührt-euch!-Haltung an, die besagt, dass er bereit ist, jegliche Aufgabe hier draußen in dem kartesischen Koordinatensystem zu übernehmen. Randy hebt den Kopf und schaut über den Impala und die Stützmauer und das vom Eis verstopfte Bewässerungssystem darüber in die Eingangshalle von Waterhouse House, wo Amy Shaftoe die Füße auf einen Kaffeetisch gelegt hat und einige der höchst beklemmenden Bücher über die Cayuse, die Randy für Avi gekauft hat, durchblättert. Sie schaut herunter, lächelt ihn an und kann, so sein Eindruck, nur mit Mühe den Impuls unterdrücken, die Hand zu heben und einen Finger um ihr Ohr zu winden.
    »So ist’s gut, Randy!« brüllt Onkel Red vom Ursprung her, »jetzt müssen wir noch ein bisschen x zugeben!« Will heißen, die Truhe besitzt durchaus auch ökonomischen Wert. Randy macht eine halbe Kehrtwende und beginnt, die gelben Linien zählend, in den (+ x , + y ) Quadranten zu gehen. »Gib ihr ungefähr vier Parklücken! So ist es gut!« Randy knallt die Truhe hin, zieht einen Millimeterpapierblock aus seiner Jacke, klappt das erste Blatt, auf dem die ( x , y ) Streuungsskizze von Onkel Geoff und Tante Anne steht, nach hinten und schreibt die Koordinaten der Truhe auf. Hier in der Gegend trägt der Schall, und er kann hören, wie Tante Nina am Ursprung zu Onkel Red sagt: »Wie viel von unserem τ e haben wir jetzt gerade auf diese Truhe verwandt?«
    »Wenn wir alles andere hier bei y gleich null lassen, hundert Prozent nach der Skalierung«, antwortet Onkel Red. »Ansonsten hängt es davon ab, wie wir diese Sachen in der y -Dimension verteilen.« Was natürlich die richtige Antwort, wenn auch völlig nutzlos ist.
    Wenn diese Tage in Whitman für Amy kein Grund sind, in panischer Angst vor Randy zu fliehen, wird es auch keinen anderen geben, und deshalb ist er auf makabre Weise froh, dass sie das hier mitbekommt. Bisher ist es noch nicht richtig um seine Familie gegangen. Randy neigt nicht dazu, über seine Familie zu sprechen, weil er das Gefühl hat, dass es nichts zu berichten gibt: Kleinstadt, gute Erziehung, Bescheidenheit und Selbstachtung in etwa gleichmäßig verteilt, und meistens da, wo sie angebracht sind. Nichts Spektakuläres wie etwa groteske Psychopathologien, sexueller Missbrauch, massive traumatische Schocks oder satanische Sitzungen im Garten hinter dem Haus. Deshalb schweigt Randy normalerweise, wenn andere Leute von ihren Familien erzählen, und hört mit dem Gefühl zu, dass er selbst nichts zu sagen hat. Die Anekdoten aus seiner Familie sind so zahm, so

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