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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sie von offiziellen Dementis der amerikanischen Regierung sprechen, können Vietnamveteranen wie Doug in gedehntem Ton eine Ironie an den Tag legen, die ungefähr so subtil ist wie ein Autostarthilfekabel an den eigenen Plomben, nur viel lustiger. Der Wodka kommt Randy schon fast zur Nase raus, bevor er ihn unter Kontrolle bekommt. »Sie behaupten, es sei nur eine unbedeutende kleine Zivilklage«, sagt Doug, diesmal im blütenzarten Ton der verwundeten Unschuld.
    »Ordos Stellung als Lieferant einer Ware, die der Staat hasst und fürchtet, ist reiner Zufall«, vermutet Randy.
    »Das stimmt.«
    »Also, ich bin sicher, dass es um nichts anderes geht als unsere Probleme mit dem Dentisten«, sagt Randy.
    »Was für Probleme sind das, Randy?«
    »Ist mitten in der Nacht Ihrer Zeit passiert. Ich bin sicher, Sie werden heute Morgen ein paar interessante Faxe vorfinden.«
    »Vielleicht sollte ich dann also nach diesen Faxen schauen«, sagt Doug Shaftoe.
    »Vielleicht klingle ich kurz durch, wenn ich in Kinakuta bin«, sagt Randy.
    »Ich wünsche Ihnen einen guten Flug, Randall.«
    »Und ich Ihnen einen schönen Tag, Douglas.«
    Randy legt den Hörer auf die Gabel in der Armlehne und schickt sich an, in ein wohlverdientes Flugkoma zu sinken. Doch fünf Minuten später klingelt das Telefon. Es ist so verwirrend, in einem Flugzeug sein Telefon klingeln zu hören, dass er einen Moment lang gar nicht weiß, was er damit anfangen soll. Als ihm endlich klar wird, was los ist, muss er erst die Karte mit den Anweisungen lesen, um rauszukriegen, wie man abnimmt.
    Als er das Ding schließlich angestellt und am Ohr hat, sagt eine Stimme: »Das nennen Sie raffiniert? Glauben Sie, Sie und Doug Shaftoe sind die einzigen Menschen auf der Welt, die wissen, dass Passagiere der Sultanklasse angerufen werden können?« Randy ist sich sicher, dass er diese Stimme nie zuvor gehört hat. Es ist die Stimme eines alten Mannes. Keine vom Alter erschöpfte oder gebrochene Stimme, sondern eine Stimme, die langsam ausgewaschen worden ist, wie die Stufen einer Kathedrale.
    »Hm, wer ist da?«
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass Mr. Shaftoe an einen öffentlichen Fernsprecher gehen und Sie zurückrufen soll?«
    »Wer ist da, bitte?«
    »Halten Sie das für sicherer als sein GSM-Handy? Ist es im Grunde nicht.« Vor, in und nach den Sätzen hält der Sprecher oft inne, als hätte er viel Zeit allein verbracht und nun Probleme, wieder in seinen Gesprächsrhythmus zu finden.
    »Gut«, sagt Randy, »Sie wissen, wer ich bin und wen ich angerufen habe. Sie überwachen mich also offensichtlich. Für den Dentisten arbeiten Sie nicht, davon gehe ich aus. Dann bleibt nur noch – was? Die Regierung der Vereinigten Staaten? Die NSA, stimmt’s?«
    Der Mann lacht. »Normalerweise melden die Jungs von Fort Meade sich bei den Leuten, deren Leitungen sie anzapfen, nicht an.« Der Anrufer hat eine unamerikanische, irgendwie eher nordeuropäische Schneidigkeit in der Stimme. »Obwohl die NSA in Ihrem Fall womöglich eine Ausnahme machen würde – als ich dort war, waren sie alle große Bewunderer der Arbeit Ihres Großvaters. Genau genommen gefiel sie ihnen sogar so gut, dass sie sie gestohlen haben.«
    »Ein größeres Kompliment gibt’s wahrscheinlich nicht.«
    »Sie müssten eigentlich Milliardär sein, Randy. Gott sei Dank sind Sie es nicht.«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Weil Sie dann ein hochintelligenter Mann wären, der nie schwierige Entscheidungen treffen – nie seinen Verstand gebrauchen muss. Der Zustand ist viel schlimmer als der eines Schwachsinnigen.«
    »Hat Grandpa bei der NSA für Sie gearbeitet?«
    »Daran war er nicht interessiert. Sagte, er habe eine höhere Berufung. Und während er immer bessere Computer baute, um das Problem der Harvard-Waterhouseschen Herausforderung der Primfaktorzerlegung zu lösen, schauten meine Freunde bei der NSA ihm zu und lernten.«
    »Und Sie auch.«
    »Ich? O nein, ich verfüge nur über bescheidene Fähigkeiten mit dem Lötkolben. Ich war dort, um die NSA dabei zu beobachten, wie sie Ihren Großvater beobachtete.«
    »Im Auftrag von... wem? Doch nicht etwa – eruditorum.org?«
    »Gut gemacht, Randy.«
    »Wie soll ich Sie nennen – Root? Pontifex?«
    »Pontifex ist ein hübsches Wort.«
    »Das stimmt«, sagt Randy. »Ich habe es nachgeschlagen, auf der Suche nach Hinweisen in der Etymologie – es ist ein altes lateinisches Wort und bedeutet ›Priester‹.«
    »Die Katholiken nennen den Papst ›Pontifex

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