Cryptonomicon
aus. Künstliches Licht strahlt aus einer sauber in den nahe gelegenen Dschungel gehauenen Schneise nach oben. Feuchtigkeit und Wolken von Insekten machen das Licht hier zu einem nahezu festen und greifbaren Ding. John Cantrell führt Randy über den vollkommen sterilen Parkplatz und in einen getarnten, eingezäunten Tunnel, der in die schwarze Vegetation hineingetrieben wurde. Am Boden liegt eine Art schwarzes Plastikgitter, durch das verhindert wird, dass die nackte Erde zu einer Leimfalle wird. Sie gehen den Tunnel entlang, bis er sich nach zwanzig oder dreißig Schritten zu einer extrem langen, schmalen Lichtung hin öffnet: der Quelle des Lichts. An ihrem entgegengesetzten Ende steigt der Boden plötzlich zu einer Art Wall an, halb natürlich, denkt Randy, halb durch Füllmaterial verstärkt, das vom Ausschachten der Baugrube stammt. Dort sind zwei große Papierzielscheiben in Form menschlicher Gestalten an einem Ständer befestigt. Am anderen, näheren Ende sind zwei Männer mit auf den Hals heruntergezogenen Ohrenschützern dabei, ein Gewehr zu untersuchen. Einer dieser Männer ist Tom Howard. Randy ist verdutzt, aber eigentlich nicht überrascht von der Tatsache, dass der andere, offensichtlich frisch aus Manila eingeflogen, Douglas MacArthur Shaftoe ist. Das Gewehr sieht genau wie das Modell aus, das einige aus dem Trupp mit den schwarzen Hüten und den Halstüchern vor dem Gesicht tags zuvor in Los Altos getragen haben: ein langes Rohr, aus dem an einer Seite im Bogen ein sichelförmiges Magazin herausragt, und ein sehr einfacher Schaft, der aus ein paar zusammengeschraubten blanken Metallteilen besteht.
Doug ist gerade mitten im Gespräch, und er ist nicht der Typ, der seinen Gedankengang unterbricht und sich vor lauter Freundlichkeit fast umbringt, nur weil Randy vor kurzem den Pazifischen Ozean überquert hat. »Ich habe meinen Vater nicht gekannt«, sagt er, »aber meine philippinischen Onkel haben mir immer Geschichten erzählt, die sie von ihm hatten. Als er auf Guadalcanal war, benutzten sie – die Marines – immer noch ihre Springfields, Modell 03, also eine vier Jahrzehnte alte Waffe – als das M-1-Gewehr in Gebrauch kam. Sie nahmen jeweils eins von beiden Modellen, warfen die Gewehre ins Wasser, rollten sie eine Weile durch den Sand und machten noch Gott weiß was damit – aber nichts, was für einen Marine in einer echten Kampfsituation nicht auch denkbar wäre – und dann versuchten sie, sie zu bedienen, und stellten fest, dass die 03 immer noch funktionierte, das M-1 aber nicht. Deshalb blieben sie bei ihren Springfields. Und ich glaube, dass ein paar Tests in dieser Richtung angebracht wären, wenn Sie meinen, dass Sie wirklich eine Waffe für einen Aufstand konzipieren, wie Sie sagen. Guten Abend, Randy.«
»Wie geht’s Ihnen, Doug?«
»Danke, mir geht’s gut!« Doug ist einer von denen, die »Wie geht es Ihnen?« immer als eine wörtlich gemeinte Bitte um Information und nicht als eine leere Formalität versteht und immer leicht gerührt erscheint, dass jemand sich die Mühe macht zu fragen. »Mr. Howard hier sagt, dass Sie, als Sie auf diesem Auto saßen und tippten, etwas wirklich Schlaues gemacht haben. Und Gefährliches. Jedenfalls aus juristischer Sicht.«
»Hast du das verfolgt?«, fragt Randy Tom.
»Ich habe beobachtet, wie Datenpakete durch die Krypta gingen, und dich später im Fernsehen gesehen. Da hab ich zwei und zwei zusammengezählt«, antwortet Tom. »Gut gemacht, Randy.« Er wankt vorwärts und schüttelt Randy die Hand. Für Tom Howards Verhältnisse ist das ein fast schon peinlicher Gefühlsausbruch.
»Was ich da gemacht habe, ist vermutlich daneben gegangen«, sagt Randy. »Falls die Daten auf Tombstones Festplatte gelöscht wurden, dann durch die Türrahmenspule, nicht durch das, was ich gemacht habe.«
»Trotzdem verdienen Sie Anerkennung, und die versucht Ihr Freund Ihnen gerade zu geben«, sagt Doug, leicht verärgert über Randys Begriffsstutzigkeit.
»Ich sollte dir einen Drink anbieten und die Möglichkeit, dich frisch zu machen«, sagt Tom mit einem Blick auf sein Haus, »aber auf der anderen Seite hat Doug gesagt, du wärst Sultanklasse geflogen.«
»Lass uns hier draußen reden«, sagt Randy. »Eins könntest du mir allerdings holen.«
»Was denn?«, fragt Tom.
Randy zieht das kleine körperlose Plattenlaufwerk aus der Tasche und hält es mit seinem lose herabbaumelnden Drahtband ins Licht. »Einen Laptop und einen Schraubenzieher.«
»Wird
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